Springreiten - vom Jagdritt zum teuren Spitzensport

Die Ursprünge liegen in der Jagd und beim Militär. Da Reiter bei der Fuchsjagd Hindernisse wie Gräben und Zäune überwinden mussten, entstand in England und Irland ab dem 18. Jahrhundert die Idee, daraus eine eigene Pferdesport-Disziplin zu machen.
In Deutschland und Frankreich hat der Springsport eher militärische Wurzeln. An den Kavallerieschulen und Militärakademien standen auch Fähigkeiten wie das Überspringen von Hindernissen mit dem Pferd sowie das Jagd- und Geländereiten auf dem Lehrplan.
Der erste organisierte Springreitwettbewerb, der mit heutigen Turnieren vergleichbar ist, soll 1864 in Dublin ausgetragen worden sein. Viele Veranstaltungen folgten, und der Sport wurde bei Akteuren und Zuschauern schnell populär.

1900 in Paris war Springreiten erstmals bei Olympischen Spielen vertreten, verschwand dann aber wieder aus dem Programm. Seit 1912 ist es fester Bestandteil der Spiele.
Bis 1948 durften nur Offiziere teilnehmen, ab 1952 auch zivile Reiter und niedrigere militärische Ränge. Frauen sind seit 1956 zugelassen.
Wie haben sich die Hindernisse entwickelt?Im frühen Turniersport ab etwa 1860 bestanden die Hindernisse in der Regel noch aus natürlichen Barrieren wie Hecken, Gräben oder Zäunen. Es gab dabei keine einheitlichen Höhen und Abstände oder Sicherheitsvorkehrungen. Auch die ersten künstlichen Hindernisse aus Holz waren schwer, rustikal und oft gefährlich für Pferd und Reiter.
Erst im 20. Jahrhundert setzte ein Wandel ein: Abwerfbare Stangen erhöhten die Sicherheit, zudem wurden die Hindernisse modularer in der Bauweise und farbiger gestaltet. Mit der Zeit entwickelten sich auch Kombinationen und sogenannte technische Linien - Abfolgen verschiedener Hindernisse mit hohen koordinativen und technischen Herausforderungen.

Heute sind die Hindernisse leichter gebaut und dadurch sicherer. Sie bestehen aus Holz und Kunststoffen, sind farbig gestaltet und mit Blumen geschmückt. Viele Parcoursbauer versuchen zudem, die Pferde durch optische Reize speziell zu fordern: nur wenige, filigrane Stangen in Farben, die für die Tiere schwerer erkennbar sind, oder sogar sich verändernde LED-Oberflächen.
Höhe, Tiefe und Anzahl der Hindernisse hängen von der Schwere der einzelnen Prüfung ab. Sie sind damit an die Fähigkeiten der teilnehmenden Reiter und Pferde angepasst. Es geht los in der E-Klasse (E=Eingangsstufe) mit mindestens acht Hindernissen von maximal 85 Zentimeter Höhe und endet mit Vier-Sterne-Prüfungen in der S-Klasse (S=Schwer) mit Hindernishöhen von bis zu 1,60 Meter und mindestens 13 Hindernissen, die innerhalb einer bestimmten Zeit zu überqueren sind.
Warum ist Deutschland im Springreiten so erfolgreich?Die Gründe sind das gut strukturierte Ausbildungssystem, die erfolgreiche Pferdezucht und die verbreitete Turnierkultur. Die klassische Reitlehre nach den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) legt großen Wert auf die systematische Ausbildung von Pferd und Reiter. Sie betont das Prinzip der Harmonie zwischen den beiden Partnern und findet weltweit Anerkennung. Für Reitabzeichen und Trainerlizenzen gibt es klare Ausbildungswege, die für Qualität und Kontinuität sorgen.

In Deutschland werden einige der besten Warmblut-Pferderassen der Welt gezüchtet, wie Hannoveraner, Holsteiner, Oldenburger und Westfalen. Warmblutpferde vereinen Sprungkraft, Leistungsbereitschaft, Ausdauer und Rittigkeit und sind daher auch international als Sportpferde sehr gefragt.
Und schließlich haben Reiterinnen und Reiter in Deutschland im Grunde jederzeit und regelmäßig die Möglichkeit, sich sportlich miteinander zu messen. Im Sommer finden jedes Wochenende rund 100 Reitturniere verschiedener Leistungsniveaus statt - von kleinen ländlichen Prüfungen bis hin zu internationalen Top-Events wie dem CHIO Aachen oder dem Deutschen Springderby in Hamburg.
Was sind die bedeutendsten Wettbewerbe?Neben Großevents wie Olympische Spielen, Weltreiterspielen und Europameisterschaften, die alle vier Jahre stattfinden, sind im jährlichen Turnierkalender die Großen Preise beim CHIO Aachen, dem Masters in Spruce Meadows bei Calgary in Kanada, des CHI Genf in der Schweiz und beim Dutch Masters in 's-Hertogenbosch in den Niederlanden die prestigeträchtigsten Wettbewerbe.
Diese vier Events haben sich vor einigen Jahren zur hochdotierten Turnierserie "Rolex Grand Slam of Showjumping" zusammengeschlossen. Wer bei drei oder mehr Springen in Serie erfolgreich ist, kann Millionengewinne einstreichen.
Daneben sind die Weltcup-Serie und die Global Champions Tour international stark besetzt.
Wer sind die Legenden des Springsports?Hier sind besonders Reiterinnen und Reiter zu nennen, die nicht nur in Kombination mit ein und demselben Pferd, sondern über Jahre hinweg mit verschiedenen Pferden große Championate und wichtige Wettbewerbe gewinnen konnten.
Einer der herausragendsten Springreiter ist Nick Skelton. Der Brite gewann den Großen Preis von Aachen insgesamt viermal - erstmals 1982 und zuletzt 2013, 25 Jahre nach seinem dritten Sieg. 2016 wurde er Einzel-Olympiasieger, nachdem er 2012 bereits Mannschaftsgold geholt hatte.

Diese Erfolge gelangen ihm, obwohl er im Jahr 2000 bei einem Sturz einen Genickbruch erlitt. Der oberste Halswirbel war zweimal gebrochen. Gegen ärztlichen Rat kehrte Skelton 2003 in den Sattel zurück und setzte seine erfolgreiche Karriere fort.
Auch die beiden Deutschen Hans Günter Winkler und Ludger Beerbaum genießen Legendenstatus. Winkler gewann zwischen 1956 und 1976 fünf olympische Goldmedaillen. Berühmt wurde er durch seinen Ritt auf "Wunderstute" Halla, auf der er 1956 trotz eines Muskelrisses in der Leiste den Olympiasieg holte. Beerbaum ist viermaliger Olympiasieger und dreimaliger Weltmeister. Winkler und Beerbaum gewannen je dreimal den Großen Preis von Aachen.
Beerbaums Schwägerin Meredith Michaels-Beerbaum ist die weibliche Legende des Springsports. Sie war im Dezember 2004 die erste und bislang einzige Frau auf Platz eins der Weltrangliste. Dreimal gewann sie den Weltcup, dazu Olympia-Bronze mit dem Team und etliche WM- und EM-Medaillen.
Was sagen Kritiker über das Springreiten?Tierschützer halten den Sport wegen der physischen und psychischen Belastung der Pferde für Tierquälerei. Die hohen Hindernisse von bis zu 1,60 Meter Höhe in Kombination mit dem Reitergewicht könnten für Rücken und Gelenke der Pferde schwerwiegende Folgen haben, sagen sie.
Zudem seien Pferde Fluchttiere und nicht für psychischen Stress durch laute Umgebungen und häufige Transporte gemacht. Auch sei die Haltung in Einzelboxen für ein Herdentier nicht artgerecht. Umstritten sind zudem bestimmte Gebisse und Sporen, die bei unsachgemäßer Anwendung Schmerzen verursachen und zu blutigen Verletzungen führen können.
Tierrechtsorganisationen wie PETA lehnen den Reitsport daher grundsätzlich ab und argumentieren, dass er den natürlichen Bedürfnissen der Pferde widerspreche.
Befürworter hingegen betonen die partnerschaftliche Beziehung zwischen Mensch und Tier sowie die stetige Verbesserung von Sicherheitsstandards und Haltungsbedingungen.
dw