Mehr Erinnerung an eine unvergessene und omnipräsente Queen geht nicht


London erinnert sich noch einmal im grossen Stil an Elizabeth II. Der 2022 verstorbenen Queen will die Stadt ein Denkmal setzen, das weit über die üblichen Statuen und Steine hinausgeht. Eine ganze, üppige Gartenlage im St. James’s Park wird es sein, die aber nicht nur mit Bäumen, Rasen und einheimischen Blumenrabatten reich bestückt sein wird. Nicht eines, sondern zwei Figurendenkmäler sollen an die Königin erinnern. Zwei neue Tore soll es geben, Wasser soll fliessen, und eine Brücke wird im Zentrum des Ganzen stehen. Wie Cinderellas Schuh wird sie aus Glas gemacht sein.
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Die glitzernde Brücke wurde von der Hochzeitstiara der Geehrten inspiriert, die sie von ihrer Grossmutter, Queen Mary, geerbt hatte. «Bislang erwecken die Bilder den Eindruck einer temporären, von Swarovski gesponserten Installation», schrieb der Architekturkritiker des «Guardian» unfroh. Die Frage ist auch, wie das Wartungsteam der Royal Parks dafür sorgen soll, dass die Anlage auch nach ein paar Jahren noch so glänzt.
Mit ihrer Symbolik der Einheit und Kommunikation sei die gläserne Fussgänger-Überführung «eine angemessene Hommage an unsere liebe, pflichtbewusste verstorbene Monarchin», wie die konservative Zeitung «Daily Express» andächtig schreibt. Die Architekten drückten es erhabener aus: «Das Herzstück unseres Masterplans ist eine durchsichtige Brücke, die Ihre Majestät als vereinende Kraft symbolisiert, die Nationen, Länder, den Commonwealth, Wohltätigkeitsorganisationen und die Streitkräfte zusammenbringt.»
Die schmale, geschwungene Unity Bridge soll die bereits bestehende Blue Bridge aus Beton ersetzen, die wiederum 1957 anstelle einer eisernen Hängebrücke entstand und ihrerseits auf einen ersten Entwurf des berühmten John Nash folgte.
Zwei Figurendenkmäler werden sich an anderen Stellen der Anlage über der Menge erheben. Das eine zeigt die Queen zu Pferd, ein wahres Reiterdenkmal im klassischen Stil, dieses Mal aber in Damenbesetzung. Es passt auch gut zu der passionierten Pferdeliebhaberin. Die Gedenkstatue der königlichen Reiterin wird von der Mall aus sichtbar sein und bei künftigen Staatsanlässen ein markantes Wahrzeichen darstellen.
Auf der entgegengesetzten Seite der Anlage wird Elizabeth Arm in Arm mit ihrem 2021 gestorbenen Mann Philip zu sehen sein. Sie stehen auf einem etwas niedrigeren, gewissermassen volksnäheren Sockel in Alltagskleidung als Privatpersonen. Beide sind vorteilhaft in jüngerem Alter dargestellt, als seien sie gerade einer Episode der Fernsehserie «The Crown» entstiegen.
Die überinstrumentiert wirkende Zweifach-Porträtierung soll die Fähigkeit der Königin würdigen, ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne sowie zwischen formellen und informellen Elementen herzustellen. Zu diesem Zweck sieht der Masterplan zwei neue Tore und zwei neue Gärten vor, die auf beiden Seiten des St. James’s Park Lake liegen und durch die Unity Bridge miteinander verbunden werden.
Der Eingang der Gedenkstätte von der Mall aus wird durch das Marlborough Gate und die Statue auf dem Platz von Königin Elizabeth II. markiert, und von dort aus gelangt man über Steinwege in den Garten der Gemeinschaften des Vereinigten Königreichs. Der zweite Eingang, der sich an der Strasse Birdcage Walk befindet, wird vom Prince Philip Gate in den Prince Philip Gate Garden führen.
«Ich vermute, die verstorbene Königin hätte sich etwas Solides, Unprätentiöses und Nüchternes zum Gedenken an sie und ihr unvergleichliches Erbe gewünscht: ein neues öffentliches Gebäude oder eine geschmackvolle und schlichte Skulptur. Dieses uninspirierte, unkonzentrierte Durcheinander ist es nicht», notierte Alexander Larman im konservativen Magazin «The Spectator». Überhaupt fiel das Presse-Echo auf die Pläne sehr gemischt aus, mit einer Tendenz zum Negativen. Tatsächlich wirkt das Memorial, den bisher veröffentlichten Fotos nach zu urteilen, wie eine Disney-Kulisse.
Erdacht und konzipiert wurde das Ganze von den Architekten der Berliner Reichstagskuppel, dem Büro Foster + Partners. Norman Foster war auch für das berühmte Gherkin-Gebäude und die Millennium-Brücke in London verantwortlich. Für den Entwurf eines Queen-Memorials schien er zunächst allerdings nicht der richtige Mann zu sein. Denn gemeinsam mit anderen Architekten hatte er sich 2009 in einem offenen Brief gegen die Einmischung des heutigen Königs Charles III. in Entscheidungen über öffentliche Bauten gewehrt – damals war es um das milliardenteure Sanierungsprojekt Chelsea Barracks gegangen.
Die Architekten hatten erklärt, dass die «Lobbyarbeit hinter den Kulissen» des damaligen Prinzen Charles nicht dazu benutzt werden dürfe, «den Verlauf eines offenen und demokratischen Planungsprozesses, der im Gange ist, zu beeinflussen». Unterdessen erklärte der heute 90-jährige Foster, «alle kleineren Differenzen in der Vergangenheit» seien jetzt vergessen und absolut unbedeutend.
Fosters Entwurf, der siegreich aus einem Architekturwettbewerb hervorging, wird nächstes Jahr zum 100. Geburtstag der Königin in Gänze enthüllt und erst danach gebaut werden. Zwischen 23 und 46 Millionen Pfund wurden für das Denkmal aus Steuergeldern eingeplant – eine Tatsache, die bereits in den sozialen Netzwerken wütende Antiroyalisten auf den Plan rief.
Preisgünstiger sind die bereits vorhandenen öffentlichen Gebäude, Orte und Verkehrswege, die namentlich an die Queen erinnern: so etwa die neue U-Bahn-Linie Elizabeth Line, der Great Court im British Museum, der nach ihr benannt wurde, der Elizabeth Tower im Westminster Palace, die Queen Elizabeth Hall im Kulturzentrum South Bank, die Queen Elizabeth Bridge des Dartford Crossing, das Queen’s Building am Flughafen von Heathrow und der Queen Elizabeth Olympic Park, das ehemalige Gelände der Olympischen Spiele 2012, um nur einige zu nennen. Auch ohne das Denkmal ist die Queen nicht nur unvergessen, sondern schon jetzt gewissermassen omnipräsent.
nzz.ch