Geschlechtstest im Boxen: Fair, oder nicht?

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Geschlechtstest im Boxen: Fair, oder nicht?

Geschlechtstest im Boxen: Fair, oder nicht?

Schon bei den Olympischen Spiel in Paris sorgt sie für heftige Debatten: die spätere Olympiasiegerin Imane Khelif. Rund ein Jahr danach flammt die Debatte mit Blick auf die Box-WM (4. bis 14. September) erneut auf. Da der Weltboxverband World Boxing die Teilnahme nur mit vorherigem Geschlechtstest zulässt und Khelif sich diesem nicht unterziehen will, darf sie nicht antreten.

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Das sorgt auch in unserer Redaktion für eine Diskussion. Was unsere Autorinnen davon halten und wie sie argumentieren, lesen Sie hier.

Irene Habich findet Geschlechtstest im Boxen sinnvoll

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An den Weltmeisterschaften im Frauen-Boxen dürfen Sportlerinnen nur nach einem Geschlechtstest teilnehmen. Die algerische Olympiasiegerin Imane Khelif verweigert den Test und bleibt deshalb ausgeschlossen. Dagegen will sie klagen.

Dass der Box-Verband nun Fakten schaffen will, ist eine gute Entscheidung. Bei Olympia hatte Khelif noch als Frau starten – und gewinnen – dürfen, obwohl es bereits erhebliche Zweifel an ihrem biologischen Geschlecht gegeben hatte. Dabei war die Diskussion schnell hochgekocht. Wer Khelifs Teilnahme und Sieg als ungerecht kritisierte, musste fürchten, als „transfeindlich“ an den Pranger gestellt zu werden. Auch wenn kaum jemand Khelif überhaupt für transsexuell gehalten hatte. Vielmehr stand schon damals die Vermutung im Raum, sie könnte intergeschlechtlich und genetisch männlich sein.

Imane Khelif (M) aus Algerien feiert bei der Siegerehrung die Goldmedaille nach ihrem Kampf gegen Liu Yang (l) aus China.
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Dass Khelif nun nicht bereit ist, sich dem Geschlechtstest zu stellen, ist im Grunde ein Eingeständnis. Sie verfügt höchstwahrscheinlich über einen männlichen Chromosomensatz, bei teils weiblichen äußeren Geschlechtsmerkmalen. Das bedeutet: Ihre Gene verschaffen ihr gegenüber weiblichen Gegnerinnen einen Vorteil, der nicht nur grob unfair ist, sondern auch für diese gefährlich werden kann.

Männer entwickeln schon während der Pubertät einen anderen Körperbau und deutlich mehr Muskelmasse als Frauen, sowie ein größeres Lungenvolumen. In sämtlichen Sportarten, bei denen es auf Kraft und Ausdauer ankommt, erzielen sie daher in der Regel höhere Leistungen als Frauen.

Für die Schlagkraft – entscheidend beim Boxen – konnte gezeigt werden, dass sie bei Männern mit vergleichbarem Trainingszustand um 162 Prozent höher war als bei Frauen. Immer wieder kommt es vor, dass Männer im Boxring so hart zuschlagen, dass ihre Gegner Hirnverletzungen erleiden. Im Kampf mit Geschlechtsgenossen haben diese wenigstens eine Chance, sich entsprechend zu verteidigen.

Die Italienerin Angela Carini gab sich bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris schon nach wenigen Sekunden geschlagen.

Angela Carini, eine von Khelifs weiblichen Gegnerinnen bei Olympia, musste nach 46 Sekunden den Kampf aufgeben, weil Khelifs Schläge so unerwartet kraftvoll waren. Mit den Tests will der Boxverband auch die Sicherheit der Teilnehmenden gewährleisten. Sie sind dringend nötig: Um den Wettkampf wieder fair zu gestalten und die Gesundheit der Sportlerinnen zu schützen.

Anstatt gegen die Tests zu klagen, sollte Khelif diese Entscheidung respektieren und Einsicht zeigen. Khelif verdankt ihren Erfolg sicher nicht ausschließlich ihrer genetischen Ausstattung. Sie hat ihr Leben lang hart trainiert, deshalb ist ihr Schicksal durchaus bedauernswert. Zu bedauern ist aber auch Yang Liu aus China, die gegen Khelif im Kampf um die Goldmedaille verlor. Denn sie hat genauso hart auf diesen Traum hingearbeitet und höchstwahrscheinlich gegen einen genetisch männlichen Gegner antreten müssen. Ein fairer Wettbewerb blieb Liu in diesem Fall vorenthalten, er muss nun wenigstens in Zukunft sichergestellt werden.

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Kira von der Brelie argumentiert gegen Geschlechtstests im Sport

Kira von der Brelie, RND-Autorin

Geschlechtstests als Teilnahmevoraussetzung für Leistungssport sind diskriminierend und mehr Kulturkampfsymbol als tatsächlicher Schutz für Frauen.

World Boxing begründet die Entscheidung mit Gerechtigkeit. Ein großes Wort. Versammeln sich doch gerade im Leistungssport persé Menschen mit genetischen Vorteilen. Lange Arme helfen beim Schwimmen, lange Beine beim Laufen und Basketballspieler sind in der Regel über zwei Meter groß. Das ist unfair für alle, die mit kurzen Armen oder kurzen Beinen dagegen anhetzen oder -schwimmen. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, beim Schwimmen nach Armlänge einzuteilen oder beim Laufen nach Beinlänge.

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Geschlecht ist jedoch eine Kategorie, die sehr polarisiert. Und schon die Debatte hat für die betroffenen Sportlerinnen Konsequenzen. Gäbe es eine Mindestarmlänge, würde wohl nicht darüber debattiert werden, ob Kurzarmige überhaupt richtige Schwimmer seien. Imane Khelif dagegen muss seit der vergangenen Box-Weltmeisterschaft 2023 in Delhi ständig über sich lesen, sie sei keine „richtige“ Frau. Nicht nur die Leistung wird infrage gestellt, sondern ihre Identität. World-Athletics-Präsident Sebastian Coe spricht in diesem Kontext beispielsweise von „Integrität“ und lädt die Debatte damit weiter moralisch auf. Als wäre die Teilnahme intergeschlechtlicher Frauen regelrecht unredlich.

Sebastian Coe, Präsident des Welt-Leichtathletikverbands World Athletics.

Was passiert mit den Frauen, die den Test nicht „bestehen“? Ist es wirklich gerechter diese Frauen gegen Männer antreten zu lassen, die körperlich deutlich in einer ganz anderen Liga spielen? Die Wahrheit ist doch: Die Karriere dieser Frauen ist vorbei. Klar – niemand hat ein Recht auf Teilnahme am Spitzensport. Die Konsequenz ist aber ein Wettbewerb, der intergeschlechtliche Frauen kategorisch ausschließt. Das ist diskriminierend und verletzt – juristisch bestätigt – die Menschenwürde der Sportlerinnen. Das urteilte zuletzt die oberste Kammer des Europäischen Menschengerichtshofs.

Und das, obwohl das SRY-Gen, auf das World Boxing testet, laut Fachleuten zwar die Voraussetzung für die Entwicklung zum Mann feststellt – nicht aber die Funktionsfähigkeit des Gens testet. Unter Umständen beendet der Test also Karrieren von Frauen, die von dem Gen nicht einmal körperliche Vorteile haben.

Was man in der Debatte auch nicht vergessen sollte: Gerade, weil sie so hitzig geführt wird, scheint es, als sei Intergeschlechtlichkeit ein Massenphänomen im Spitzensport. Vielmehr sind es in den vergangenen Jahren einige wenige Sportlerinnen wie Imane Khelif oder Caster Semenya gewesen, an denen sich das Thema entzündete. Es ist also fraglich, ob es sich nicht eher um ein Randphänomen handelt.

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Gerechtigkeit im Spitzensport ist ein sensibles und wichtiges Thema und die Frage der sportlichen Fairness muss immer wieder neu beantwortet werden. Wenn World Boxing tatsächlich etwas für Frauen tun will, gäbe es andere Ansatzpunkte. Bessere mediale Berichterstattung, bessere finanzielle Ressourcen – Sponsoring-Investitionen, faire Gehälter – bessere Trainingsbedingungen und weibliche Repräsentation in Führungs- und Trainingspositionen etwa.

rnd

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