Fußball-EM der Frauen | »Das wichtigste Sportereignis in diesem Jahr«
An diesem Mittwoch startet die Frauen-EM: Wie sehr wünschen Sie sich, dass die deutschen Fußballerinnen wie vor drei Jahren wieder das Endspiel erreichen?
Gerd Gottlob: Ich erinnere mich gut an das spektakuläre EM-Finale 2022: England gegen Deutschland haben damals mehr 18 Millionen Menschen geschaut. Es war das Fußball-Highlight des Jahres mit der höchsten Quote. Jetzt ist die Frauen-EM das wichtigste Sportereignis für ARD und ZDF in diesem Jahr. Yorck Polus: Die EM in England hat einen Imagewandel ausgelöst. Es wäre klasse, wenn die deutschen Fußballerinnen wieder so weit kommen – und das nicht nur, weil wir diesmal das Endspiel übertragen.
Ist der Aufwand für ARD und ZDF vergleichbar mit der Männer-EM 2024?
Polus: Von der Herangehensweise, vom Personal und von der Produktion gibt es keinen großen Unterschied. Gottlob: Wir werden mit denselben Ambitionen und noch mehr Output in die EM gehen, denn wir übertragen bei den Frauen ja alle Spiele.
Dass die Klub-WM der Männer derzeit in den USA kostenlos auf DAZN übertragen wird, ist keine Konkurrenz?
Gottlob: Es ist eine Konkurrenz, aber wir können da selbstbewusst rangehen: Ich vertraue auf den Fußballinstinkt der Deutschen. Polus: Grundsätzlich finde ich es schade, wenn sich eine Sportart mit zwei parallelen Großveranstaltungen gegenseitig Interesse wegnimmt. Das ist kein schönes Zeichen von der Fifa, da der Termin des Frauenturniers viel länger feststand. Die Frauen-EM wird aber voraussichtlich mehr Interesse generieren als die Klub-WM.
Es war auch die Fifa, die vor der Frauen-WM 2023 gedroht hatte, dass die Rechte nicht verkauft werden, wenn die Gebote nicht erhöht werden. Was passiert, wenn Fifa-Boss Gianni Infantino für die Frauen-WM 2027 dieselben Medienerlöse einfordert wie bei den Männern?
Polus: Grundsätzlich bestimmt der Markt, was passiert. Wenn neue Player große Summen bieten, bei denen wir nicht mitgehen können, dann ist das so. Die Wertigkeit des Frauenfußballs ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, wozu wir erheblich beigetragen haben. Gottlob: Wir sind seit Anfang der 90er Jahre beim Frauenfußball ein verlässlicher Partner für DFB, Uefa und Fifa.
Die Fifa wird auch die Frauen-WM bald auf 48 Teams erweitern. Ist das richtig?
Gottlob: Ich halte es für den falschen Weg, weil es irgendwann überall zu viel wird – und dann sinkt das Interesse. Polus: Ich schaue bereits auf die Männer-WM 2026 mit großer Sorge. Mehr als 100 Spiele! Das kann keine Medienanstalt mehr alleine stemmen. Wenn ein Produkt zu sehr zerfasert, ist das nie gut.
Was muss passieren, damit auch der Vereinsfußball der Frauen sichtbarer wird?
Gottlob: Da müssen auch wir noch regelmäßiger berichten. Wir zeigen jeden Spieltag zwei bis drei Partien in Livestreams, Liveübertragungen oder Zusammenfassungen in der Sportschau. Polus: Entwicklung braucht immer ein Fundament, ohne professionellen Unterbau kommt der Frauenfußball nicht voran. Das Nationalteam hat es zumindest in der Hand, bei dieser EM die nächste Sogwirkung auszulösen.
Fußball-Kommentatorinnen werden immer wieder im Netz attackiert. Was tun Sie gegen solche Auswüchse von Frauenfeindlichkeit?
Gottlob: Bashing ist ein generelles Problem. Das löst bei mir blankes Entsetzen und großes Unverständnis aus. Ich rate jungen Reporterinnen immer, nicht in die Kommentarspalten zu schauen. Jede muss für sich selber einen Weg finden, damit umzugehen, obwohl das gewiss nicht einfach ist. Polus: Das macht es auch schwer für junge Frauen, in die Live-Kommentierung zu gehen. Konstruktive Kritik ist immer willkommen, aber wenn ein Mensch diffamiert wird, weil er ein bestimmtes Geschlecht hat, hört es für mich auf. Ich komme vom Rudern: Sabine Tschäge ist als Bundestrainerin für den Achter zuständig. Und sie ist nicht die erste Frau, die in diesem Sport Männer trainiert. Dort ist so etwas gar kein Thema. Nur der Fußball hat mit Gleichberechtigung mitunter noch Probleme.
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