EURO 2025: Demontiert Norwegen sein Denkmal Ada Hegerberg?

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EURO 2025: Demontiert Norwegen sein Denkmal Ada Hegerberg?

EURO 2025: Demontiert Norwegen sein Denkmal Ada Hegerberg?

"Hier geht es nicht einfach nur um Ada Hegerberg", heißt es in einem Kommentar des Senders NRK, des größten Medienunternehmens in Norwegen. Hegerberg sei zwar die Kapitänin der Nationalmannschaft und damit eine Schlüsselspielerin für Nationaltrainerin Gemma Grainger. "Aber es geht darum, was das Beste für Norwegen ist." Die Stürmerin habe bei der Europameisterschaft in der Schweiz bislang "einfach keine Leistung erbracht, die dafür spricht, dass sie ihren Platz in der Mannschaft behalten sollte. Die Alternativen sind besser."

Gemeint ist vor allem Elisabeth Terland. Die 24-Jährige, die eine tolle Saison beim englischen Spitzenklub Manchester United hinter sich hat, sorgte bei ihren bisherigen Auftritten bei der EURO 2024 für deutlich mehr Angriffswirbel als Hegerberg. Das sehen wohl auch die meisten Norwegerinnen und Norweger so. In einer Online-Umfrage von NRK mit rund 20.000 Teilnehmenden plädierten 75 Prozent dafür, Hegerberg beim Viertelfinalspiel an diesem Mittwoch gegen Italien (Anstoß 21 Uhr MESZ) nicht in die Startelf zu berufen.

Weltfußballerin 2018, Champions-League-Rekordtorschützin

Was ist geschehen, dass sich eine Nation offenbar von ihrer Vorzeigefußballerin abwendet? Denn genau das ist Ada Hegerberg. Die 30-Jährige gehört zu den bekanntesten Fußballerinnen der Welt. 2018 war die Norwegerin die erste Frau, die mit dem Ballon d‘Or als beste Fußballerin der Welt ausgezeichnet wurde. Bei der Preisverleihung kam es zu einem Eklat, als der Moderator die Norwegerin fragte, ob sie sich mit Twerken auskenne, einem Tanzstil, bei dem man Hüfte und Po kreisen lässt.

Noch heute ist Hegerberg mit 66 Treffern Rekordtorschützin der europäischen Champions League. Nach dem Wechsel 2014 vom damaligen deutschen Bundesligisten Turbine Potsdam zu Olympique Lyon gewann sie mit dem Topklub sechsmal die europäische Eliteklasse, dazu in Frankreich zehnmal die Meisterschaft und sechsmal den Pokalwettbewerb.

Vorkämpferin für Equal Pay

Doch zuletzt lief es für Hegerberg fußballerisch nicht mehr so rund. Bei Lyon war sie in der zurückliegenden Saison nicht mehr Stammspielerin, wurde meist nur eingewechselt und erzielte insgesamt sieben Tore. Eine eher magere Ausbeute. In ihren beiden erfolgreichsten Spielzeiten für Lyon (2015/16 und 2017/18) hatte sie jeweils häufiger als 50-mal getroffen.

Ende 2011 bestritt Hegerberg als damals 16-Jährige ihr erstes von inzwischen 93 Länderspielen. Das wichtige 1:1 im Auftaktspiel der laufenden EM gegen Gastgeber Schweiz - die Partie endete 2:1 für Norwegen - war ihr 50. Tor im Nationaltrikot. Es könnten schon deutlich mehr sein, hätte Hegerberg sich nicht 2017 aus dem Nationalteam zurückgezogen, unter anderem aus Protest gegen die schlechteren Prämien für Nationalspielerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.

Erst 2022 gab Hegerberg ihr Comeback für Norwegen. Sie begründete die Rückkehr ins Nationalteam mit guten Gesprächen mit der neuen norwegischen Fußball-Verbandspräsidentin Lise Klaveness und der Tatsache, dass Norges Fotballforbund (NFF) 2018 die Nationalmannschaftsprämien von Männern und Frauen angeglichen und damit das von ihr geforderte Equal Pay umgesetzt habe.

Hegerberg: "Immer noch Vorurteile"

Frauenfußball ist in Norwegen äußerst populär. 1987 und 1993 war das Land Europameister, 1995 Weltmeister, im Jahr 2000 Olympiasieger. Laut NFF sind aktuell rund 70.500 Fußballerinnen im Verband registriert, Mädchen unter 13 Jahren nicht mitgerechnet. Das macht 27,6 Prozent der NFF-Mitglieder, also mehr als ein Viertel. Zum Vergleich: Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), mit über acht Millionen Mitgliedern der größte nationale Fußballverband der Welt, liegt der Frauen-Anteil im Erwachsenenbereich bei 17,2 Prozent.

Im EM-Spiel gegen die Schweiz wird Elisabeth Terland (2.v.l.) für Ada Hegerberg (l.) eingewechselt
Im EM-Spiel gegen die Schweiz wurde Elisabeth Terland (2.v.l.) für Ada Hegerberg (l.) eingewechseltBild: Vegard Grott/Bildbyran/IMAGO

Dass so viele Mädchen und Frauen in Norwegen Fußball spielen, darf sich auch Hegerberg auf ihre Fahne schreiben. Seit vielen Jahren kämpft sie unermüdlich für die Gleichstellung des Frauenfußballs. "Es gibt immer Dinge, die noch besser gemacht werden können", sagte Hegerberg vor dem EM-Start in einem Interview der Schweizer Zeitung "Blick": "Es hilft sehr, wenn wir Leistung bringen. Wir müssen noch immer gegen derart viele Vorurteile kämpfen."

Am 30. Geburtstag auf der Ersatzbank

Hegerberg ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass nun ausgerechnet ihre eigene Leistung von ihren Landsleuten angezweifelt wird. Beim 4:3-Sieg der Norwegerinnen im letzten Gruppenspiel gegen Island schonte Nationaltrainerin Grainger die Kapitänin - ausgerechnet an Hegerbergs 30. Geburtstag. Der Viertelfinaleinzug hatte schon nach den siegreichen ersten beiden Gruppenspielen festgestanden.

Grainger stärkt Hegerberg demonstrativ den Rücken. "Sie gibt alles für diese Mannschaft. Ich bin sehr zufrieden mit ihr", sagt die Trainerin. Und auch Hegerberg selbst gibt sich gelassen angesichts der Kritik in der Heimat: "Ich nehme das locker. Ein bisschen Wirbel ist in Ordnung."

dw

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