Der Chelsea FC ist Klub-Weltmeister – aber dieser Titel ist ein Etikettenschwindel


Es gibt ein paar surreale Bilder von diesem ersten WM-Final zwischen zwei Klubmannschaften in New York. Donald Trump, wie er von einem seiner Golfklubs kurz vor Spielbeginn am Sonntagnachmittag mit dem Helikopter einfliegt. Wie der US-Präsident später das Duell Paris Saint-Germain gegen den Chelsea FC zwischen seiner Frau Melania und Gianni Infantino, dem Präsidenten des Weltfussballverbands Fifa, verfolgt. Und wie Trump nach dem Spiel den Pokal den Chelsea-Spielern übergibt und auch die weiteren Trophäen wie jene des besten Fussballers des Turniers an Cole Palmer – und bei den anschliessenden Feierlichkeiten tatsächlich mitten im Chelsea-Team steht und klatscht.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Chelsea took a huge risk signing a 79 year old striker named Donald Trump who wore the number 47.
He was instrumental in them winning the CWC. Hollywood story tbh. pic.twitter.com/chLUNP0c65
— MLS Moves (@MLSMoves) July 13, 2025
Und natürlich auch: die gigantischen Shows vor dem Spiel, in der Pause und danach, mit Grössen wie Robbie Williams und Coldplay; der Einmarsch der Spieler wie Gladiatoren und einzeln ins mit über 80 000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkaufte MetLife-Stadion; die minutenlange Pause mitten in der zweiten Halbzeit, damit der Rasen bewässert werden kann; das Chaos und die epischen Wartezeiten bei der Anreise ins Stadion, dem die Menschen mit erstaunlicher Gelassenheit begegnen; und schliesslich ein bemerkenswert einseitiger Final mit einem überraschenden Sieger.
Cole Palmer ist die überragende FigurErwartet hat man ja den fünften Titelgewinn von PSG in dieser Saison. Es ist erst ein paar Wochen her, dass der Klub aus Paris im Final der Champions League Inter Mailand 5:0 demontierte. Und sogar erst ein paar Tage seit dem 4:0-Sieg gegen Real Madrid im Halbfinal der Klub-WM.
Bereits nach wenigen Minuten allerdings reibt man sich im Final verwundert die Augen. Chelsea presst, kombiniert, dominiert wie PSG, PSG rennt dem Ball und dem Gegner hinterher wie Inter Mailand und Real Madrid kürzlich. Palmer trifft früh zweimal fast genau gleich mit einem überlegten Innenrist-Schuss und legt noch vor der Pause das 3:0 durch João Pedro auf. Und Infantino dürfte oben auf der Tribüne hoffen, dass Trump nicht begreift, was ein 3:0 im Fussball bedeutet – anders als im American Football ist es meistens die Entscheidung.
In der zweiten Halbzeit verwaltet Chelsea die Führung stilsicher. Der Linksverteidiger Marc Cucurella, der Spanier mit den langen Haaren und mit der legendären Hands-Szene im EM-Viertelfinal 2024 gegen Deutschland, arbeitet derart leidenschaftlich an seinem Ruf als Reizfigur, dass die PSG-Spieler reihenweise die Nerven verlieren – und João Neves kurz vor dem Abpfiff die rote Karte sieht, weil er Cucurella an den Haaren zieht. Nach dem Schlusspfiff gibt es noch ein paar Rudelbildungen in diesem mächtigen American-Football-Stadion. Darin involviert: der PSG-Trainer Luis Enrique mit anderen Klubvertretern als sehr schlechte Verlierer.
Chelseas relativ einfacher Weg in den FinalChelsea ist jetzt zwar nicht unbedingt das beste Klubteam der Welt – aber offiziell der erste Weltmeister im neuen Format mit 32 Teilnehmern. Und nicht PSG, Manchester City, Real Madrid, Bayern München oder Inter Mailand, die man alle stärker eingeschätzt hat. Auch nicht Liverpool und Arsenal, die in der Premier League in dieser Saison besser waren als Chelsea – und erst recht nicht Barcelona und Napoli, die Meister aus Spanien und Italien, die an der Klub-WM fehlten. Chelsea als Sieger der Champions League 2021 aber war dabei.
Dieser WM-Triumph mag ein Etikettenschwindel sein, doch eine gewisse Logik hat der Erfolg durchaus: Chelsea hat in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten in der Champions League (2012 und 2021), in der Europa League (2013 und 2019) sowie in der Conference League (2025) und eben an der Klub-WM (2021 und 2025) keinen Final verloren und dabei einige höher gehandelte Teams düpiert.
Und so ist Chelsea ein passender Sieger dieser Klub-WM mit einem Preisgeld von einer Milliarde Dollar, der Klub hat inklusive Antrittsprämie rund 140 Millionen Dollar verdient. Nicht schlecht für einen Sieg gegen den Los Angeles FC, eine Niederlage gegen Flamengo sowie einen Sieg gegen Tunis in der Vorrunde, ein Weiterkommen im Achtelfinal nach Verlängerung gegen Benfica Lissabon sowie Siege gegen Palmeiras und Fluminense auf dem Weg in den Final gegen PSG. «Es fühlt sich gut an, das beste Team der Welt zu sein», sagte Cole Palmer hinterher.
Ein Teambus mit fünf EtagenPalmer ist neben dem Spielmacher Enzo Fernandez eine der prägenden Figuren in einer Mannschaft, die ziemlich wild zusammengestellt wirkt und in der Premier League nur Vierter wurde. «Ein Klub, wie von Frankenstein erschaffen», titelte die «Süddeutsche Zeitung» kürzlich über Chelsea. Es kursieren witzige Memes über den Bus des Teams, der bis zu fünf Etagen hoch sein müsse in Anbetracht der Kadergrösse. Sind es 43, 46, 55 Spieler? Fünf oder doch neun Torhüter? Auf jeden Fall ist es ein Transfer-Konzept wie auf einem Spieler-Basar, mit vielen Fussballern, die irgendwo parkiert werden. Rund zwei Milliarden Franken gab Chelsea in den letzten fünf Jahren allein für Transfers aus.
Am 1. Juli kam João Pedro für rund 65 Millionen Franken von Brighton, er führte sich gleich mit zwei Toren im Halbfinal gegen Fluminense sowie einem Tor im Final gegen PSG ein. Noch nicht dabei war zuletzt die neueste Akquise, Jamie Gittens von Borussia Dortmund, ebenfalls für über 60 Millionen Franken verpflichtet als ungefähr vierzehnter Offensivspieler – mehr als die Hälfte von ihnen dürfte in zwei Monaten nicht mehr im Kader stehen.
Chelsea team bus arriving for the final against PSG. pic.twitter.com/wtDFjkhA24
— Troll Football (@TrollFootball) July 13, 2025
Der Aktivismus des Chelsea FC schadet der Branche, der Europäische Fussballverband Uefa hat jüngst ein Bussgeld von 20 Millionen Franken verhängt, weil die Bilanz in Schieflage ist. Aber was kümmert das Chelsea?
Es ist jedenfalls eine beachtliche Leistung des italienischen Trainers und Taktikers Enzo Maresca, aus diesen unfassbar vielen Individualisten eine Einheit gebildet zu haben, die derart überzeugend wie gegen Paris auftreten kann. «Ich habe den Spielern gesagt, dass sie stolz sein dürfen», sagt der Trainer. «Diese Klub-WM wird noch wichtiger als die Champions League. Und wir sind jetzt Weltmeister.» Der entsprechende Badge ziert die nächsten vier Jahre die Trikots von Chelsea.
nzz.ch