BVB bei der Klub-WM: Dortmund zittert bei Zimmertemperatur

Eineinhalb Stunden vor Anpfiff des Achtelfinals in Atlanta flohen weißgewandete Mexikaner und gelbgekleidete Dortmunder in die riesige Arena in Atlanta, die ja in Wahrheit eine Halle ist. „Caution: Severe weather warning!“ kreischte es etwas hysterisch aus den Lautsprechern. Alle, die nicht vor Sturm und Regen davonrannten, sondern für US-amerikanische Unwetterwarnungen offenbar etwas zu gemütlich weitergingen, die wurden von grimmigen Polizisten mit ihren Maschinengewehren unter den Schutz des Dachs gescheucht.
Irgendwas ist ja immer los mit dem Wetter, wenn die Borussia bei der Klub-WM durch die USA tourt. Den Dortmundern muss das bisherige Turnier so vorgekommen sein, als spielten sie auf einem Planeten, der fürchterlich heiß ist, weil er von drei gleich Sonnen umkreist wird, und auf dem lauter ihnen unbekannte Mannschaften zu Hause sind. Als sie am Dienstagabend für ihr Achtelfinale gegen CF Monterrey aus Mexiko auf den Rasen trabten, da war klar: Das Wetter würde heute keine Ausrede sein. Die eine Sonne, die es gab, war schon untergegangen. Der Thunderstorm war ausgesperrt und klopfte unaufhörlich von außen gegen die Kuppel. Unter ihr kühlte eine Klimaautomatik die Temperatur auf menschenfreundliche 22 Grad Celsius.
Diese Labor-Bedingungen nutzten die Dortmunder, um mit einem 2:1 (2:0) gegen Monterrey ins Viertelfinale einzuziehen. Dass die Spieler in der zweiten Halbzeit ganz schön zittern mussten, lag nicht an der Klimaanlage, sondern eher an der eigenen Fahrlässigkeit. Am Samstag treffen sie in East Rutherford, New Jersey, auf Real Madrid. „Wir stehen jetzt unter den letzten Acht. Das ist mehr, als wir uns je ausgemalt hatten“, sagte Dortmunds Trainer Niko Kovac nach der Partie. Zufrieden war er vor allem mit der ersten Hälfte. „Das war die beste des Turniers“, sagte er: „Wir waren scharf, haben nach vorne verteidigt und den Gegner gestresst.“
In Atlanta traf eine Mannschaft, die zuvor gegen die Truppe von Ulsan HD SC aus Südkorea 27 Mal vergeblich auf das gegnerische Tor gefeuert hatte (Dortmund), auf eine zähe Elf, die in den vorherigen drei Partien nur ein Gegentor kassiert hatte (Monterrey). Doch wer sich sorgte, es würde sich eine Partie entfalten, die sich unter dem steten Scheppern mexikanischer Trommeln und Glocken torlos bis zu einem Elfmeterschießen quälen würde, wurde früh beruhigt. Die Partie wippte munter, und zwar in beide Richtungen; Dortmund war sichtlich bemüht, sich die vergebenen Chancen der Vergangenheit aus den Trikots zu schütteln.

Dortmunds Sportdirektor spricht über auslaufende Verträge und mögliche Transfers, die Verdienste von Niko Kovac und das Ziel, bei der Klub-WM 50 BVB-Fanklubs in den USA zu etablieren.
14 Minuten waren gespielt, da zogen Karim Adeyemi und Serhou Guirassy erstmals jenes zauberhafte Zusammenspiel auf, zu dem sie an besseren Tagen imstande sind. Adayemi legte dicht bedrängt im mexikanischen Strafraumgewusel ab auf Guirassy – und der schoss locker ein zur Führung. Die kreisrund umlaufenden Videoleinwände in der Arena von Atlanta, die zusammen etwa so groß sind wie das Stadion des FC Ingolstadt, fingen einen wilden Haufen der vielleicht 200 Dortmundfans auf den Tribünen ein, die sich in den Armen lagen. Sie sahen aus wie gelbe Riesen.
Doch Monterrey gab sich nicht geschlagen. Die vom alten Recken Sergio Ramos, 39, geführten Mexikaner versuchten es zunächst immer wieder mit Schüssen aus der Distanz. Es schepperte, als der am Dienstagabend fantastisch aufspielende Außenstürmer Jesus Manuel Corona den Pfosten traf. Und als Torwart Gregor Kobel gerade dachte, er hätte Corona erfolgreich überwunden, versuchte der es schon wieder: Diesmal stürzte sich der Torwart in Schuss.
Die Dortmunder überließen Monterrey für eine Weile die Hoheit über das Mittelfeld und zogen sich zurück. Den Mexikanern brachte das keinen gefährlichen Feldgewinn ein – schaffte aber die Räume, damit Dortmund sogleich seinen ersten Konterversuch ins Ziel bringen konnte: Ryerson erobert den Ball auf der rechten Abwehrseite und schickte Adeyemi steil. Der zog am Strafraumrand nach innen, legte abermals mit viel Gefühl ab auf Guirassy. Ein hübscher Schlenzer ins rechte Eck, das 2:0 (24.). Doch dass der Widerstand Monterreys noch immer nicht gebrochen war, hätte man ahnen können, als Corona vor der Pause ein drittes Mal zuschlug: Kobel parierte den Schuss aus spitzem Winkel.
Die Trommeln verstummten, die Mexikaner brauchten nun ihre ganze Kraft zum Brüllen.Die Partie war gerade erst wieder angepfiffen worden – da geschah, was sich angedeutet hatte. Eine unnötige Dortmunder Fehlerkette brachte die Mexikaner zurück ins Spiel: Niklas Süle ließ eine Flanke zu, die Erick Aguirre am zweiten Pfosten mit dem Kopf in die Gefahrenzone drückte. Waldemar Anton und Ramy Bensebaini hielten so viel Sicherheitsabstand zu Mittelstürmer German Berterame, dass man meinte, er sei ein Hammerwerfer. Ein Kopfball, Aufsetzer, und schon stand es nur noch 2:1.
Auf den Tribünen erwachten die mexikanischen Glocken, und Monterrey rannte nun an. Corona, wer sonst, kam immer wieder. Zweimal parierte Kobel stark seine Schüsse. Und nach einem Steilpass von Sergio Ramos spielte Corona den Ball in den Lauf von Berterame, der frei vor Kobel auftaucht und vollendete. Die Fahne des Linienrichters ging hoch, Berterame hatte wenige Zentimeter im Abseits gestanden. Die Trommeln verstummten, die Mexikaner brauchten nun ihre ganze Kraft zum Brüllen. Aber die Entscheidung war korrekt.
Um das Spiel zu beruhigen, brachte Trainer Niko Kovac zwei Neue: Yan Couto rückte für Adeyemi ins Spiel und Julian Brandt für Felix Nmecha. Als Sergio Ramos in der Nachspielzeit haarscharf am Pfosten vorbeiköpfte, wäre selbst Kobel machtlos gewesen. Das Wichtigste sei gewesen, sagte Kovac, „dass wir das Spiel nach Hause gekämpft haben“. Und dieser Kampf war tatsächlich durch die Klimaanlage ermöglicht worden. „Heute war es sehr angenehm, die Luft war eine ganz andere. Da kann die Mannschaft viel energischer verteidigen.“
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