Donald Trump baut riesige Mauer in Arizona: Umweltschützer und Anwohner empört

„Watch children!“ mahnt ein verrostetes Schild an der staubigen Schotterstraße. Doch in dem roten Schulgebäude von Lochiel im einsamen Süden von Arizona werden schon lange keine Kinder mehr unterrichtet. „Wir waren damals elf – alle in einem Raum“, erinnert sich George Lorta. Der 68-Jährige kommt noch öfter an den verlassenen Western-Ort mitten in der Prärie des San Rafael Valley zurück. „Es ist unglaublich friedlich“, schwärmt der wettergegerbte Mann in Jeans, Flanellhemd und Cowboyhut.

Keine hundert Meter sind es von der Grenze zum Adobe-Bau, also dem Gebäude, in dem Lorta in den 1960er Jahren Lesen und Schreiben lernte. Sein Vater besaß eine Ranch auf der anderen Seite, in Mexiko. Seine Mutter stammt aus den USA. Wegen der Schule zog die Familie nach Lochiel. Die Grenze war damals kaum mehr als ein Strich auf der Landkarte. Nicht nur der Santa Cruz River, der hier nach Mexiko fließt und in einem 50 Kilometer langen Bogen wieder in die USA zurückkehrt, kümmerte sich nicht darum. „Wir sind mit den Pferden dauernd hin- und her geritten“, erinnert sich Lorta.

Unvorstellbar wirkt das aus heutiger Sicht. Schon länger markieren kreuzförmige Fahrzeugsperren die Grenze. Doch nun droht der schier endlosen, unberührten Steppenlandschaft, die vor allem Antilopen, Jaguare und Schwarzbären beherbergt, der Todesstoß. Seit ein paar Wochen donnern schwere Trucks und Bulldozer an Lochiel vorbei: Donald Trump lässt in östlicher Richtung, mitten im Nirgendwo, für 300 Millionen Dollar ein gewaltiges Stück seiner Mauer bauen. Mehr als 40 Kilometer lang und zehn Meter hoch wird die monströse Stahlkonstruktion sein – und das San Rafael Valley unwiederbringlich durchtrennen.

„Das sieht furchtbar aus“, empört sich Lorta, der eine Autostunde nordwestlich die Gästeranch Circle Z mit 120 Pferden betreibt: „Wie in China oder damals in Deutschland.“ Viele in der Region denken ähnlich. Umweltschützer sind empört, weil die Mauer die Migrationsrouten zahlreicher seltener Tierarten blockiert. Noch mehr ärgert die Bewohner, dass der Monumentalbau keinerlei Zweck zu erfüllen scheint. Immerhin brüstet sich der Präsident selbst damit, dass die Zahl der irregulären Grenzübertritte seit seinem Amtsantritt auf ein historisches Tief gefallen ist. „Unsere südliche Grenze ist geschlossen!!!“, hat er triumphierend gepostet. Nur wenige tausend Migranten pro Monat kommen derzeit noch ins Land. Und sie erreichen die USA nicht über die Weite der Prärie.
David Hathaway, Sheriff von Santa Cruz County
Die Familie von David Hathaway lebt seit fünf Generationen in der Gegend. Der 62-Jährige begrüßt den Gast mit festem Händedruck. Stolz trägt er seinen Sheriff-Stern am Gürtel. Als oberster Gesetzeshüter von Santa Cruz County ist Hathaway auch für das San Rafael Valley zuständig. „Sie können sich da einen ganzen Tag ins Gras setzen und den Vögeln zuhören“, berichtet er: „Da kommt kein Mensch vorbei.“ Die Mauer nennt er „reine Geldverschwendung“.
Das sind starke Worte für einen Sheriff. Doch auch sonst nimmt der eingeschriebene Demokrat kein Blatt vor den Mund. Den Mauerbau sieht Hathaway als Teil einer größeren Kampagne von Trump, Migration zu kriminalisieren und die Grenzregion politisch zu instrumentalisieren. „Er vermittelt den Eindruck, wir lebten hier in einem Kriegsgebiet“, schimpft der Sheriff: „Das ist Blödsinn.“ Die Migranten kämen, weil sie Arbeit suchen: „Die Verbrechensrate hier ist niedriger als anderswo im Land.“
Hathaway hat sein Büro auf einem Hügel in Nogales, dem Verwaltungssitz von Santa Cruz County, wo fast die Hälfte der gerade mal 50.000 Bewohner des Landkreises lebt. Wer von dem Justizkomplex hinunter zur City Hall fährt, bekommt einen Eindruck von der Besonderheit der Region. Vier von fünf Menschen hier haben hispanische Wurzeln. Viele Geschäfte tragen spanische Namen. Die Hauptverkehrsader North Grand Avenue führt direkt zur mächtigen Grenzstation, dem wichtigsten Tor der USA für Obst und Gemüse aus Mexiko. Durch die Ritzen im hohen Stahlzaun, der hier schon fertig ist, kann man auf quirliges städtisches Treiben blicken. Direkt dahinter liegt ein anderes Nogales - das in Mexiko.
Jorge Maldonado, Bürgermeister von Nogales
„Für uns ist das kein fremdes Land. Für uns sind das Nachbarn“, sagt Bürgermeister Jorge Maldonado. Auch er betont: „Wir haben kein Problem mit den Migranten.“ Ohnehin sind selbst in den Zeiten des starken Zustroms kaum Zuwanderer in der Grenzstadt hängengeblieben. Der überwiegende Teil, der von der Grenzpolizei aufgegriffen wurde, beantragte Asyl. Bis zum Verfahren zogen die Migranten von der Erfassungsstelle in Nogales weiter in andere Teile der USA, wo ihnen Bekannte oder Familienangehörige bei der Suche nach Unterkunft und Job halfen. In Nogales warteten sie nur auf den Bus.
Frisch Zugewanderte sieht man derzeit auf den Straßen nicht mehr. Die zwei Notunterkünfte in der Nähe der Busstation mit insgesamt 800 Betten haben geschlossen. „Im Moment ziehen mehr Leute nach Süden als nach Norden“, berichtet Maldonado: Viele Mexikaner würden das repressive Klima unter der Trump-Regierung nicht mehr ertragen und in ihre Heimat zurückgehen.

Das ist ganz im Sinne des Präsidenten, der sich gerne mit seiner restriktiven Migrationspolitik brüstet. Der drastische Einbruch der Zuwanderung, argumentiert Sheriff Hathaway, habe freilich wenig mit Trump zu tun. Vielmehr habe schon dessen Vorgänger Joe Biden aus Sorge vor einer Wahlniederlage die Notbremse gezogen.
Tatsächlich hat Biden im Juni 2024 ein folgenschweres Dekret unterzeichnet, das bis heute gilt. Es schränkt das Asylrecht drastisch ein und erleichtert sofortige Abschiebungen. Daraufhin stürzte die Zahl der irregulären Übertritte an der Südgrenze der USA von 250.000 im Dezember 2023 auf 47.000 im Dezember ein Jahr später. Trump hat die Regeln noch weiter drastisch verschärft. Derzeit kommen weniger als 10.000 Menschen im Monat. Der Zustrom ist also weitgehend versiegt.

Das hindert Trump nicht, weiter das Horrorszenario einer „Invasion aus dem Süden“ an die Wand zu malen. Doch in Wirklichkeit, so scheint es, leidet die Grenzregion mehr unter seiner Politik als unter den vermeintlichen Eindringlingen. Nicht nur die Mauer, die Touristen abschreckt, macht Bürgermeister Maldonado Sorgen. Probleme bereiten ihm auch die neuen Zölle, die verschärften Grenzkontrollen und die rigide Abschiebepolitik der Regierung in Washington.
„Hier fließt alles nach Norden“, sagt der Lokalpolitiker und deutet aus dem Fenster: „Das Wasser, der Handel, die Touristen. Wir hängen zu hundert Prozent von Mexiko ab.“ Doch Trump beleidigt die Bewohner des Nachbarlandes als Kriminelle und verbreitet unter den Latinos in den USA mit seinen Razzien Angst und Schrecken. Er hat einen Anti-Dumping-Zoll von 17 Prozent auf mexikanische Tomaten verhängt, die vor allem über Nogales ins Land kommen. Und er macht den kleinen Grenzverkehr zur Qual.
Der Bürgermeister fährt selbst drei- bis viermal in der Woche mit seinem Pickup hinüber zur Familienfarm nach Mexiko. „Seit Oktober bin ich bei der Rückkehr sieben Mal zu einer Sonderkontrolle aus der Schlange gewunken worden“, berichtet er. Jedes Mal musste er aus dem Fahrzeug aussteigen und in einem speziellen Raum warten. Die Prozedur kostet ihn mindestens eine halbe Stunde.

Unter diesen Umständen überlegen sich viele Mexikaner zweimal, ob sie zum Einkauf ins amerikanische Nogales fahren. „Das ist schlecht für unsere Wirtschaft“, sagt Maldonado: „Wir verlieren Geschäft.“ Er greift nach einem Ordner, der auf seinem großen Schreibtisch liegt und blättert eine Weile. Dann hat er die Zahl gefunden: „Umsatzsteuer im Oktober 2024: 1,9 Millionen Dollar. Umsatzsteuer im Oktober 2025: 1,2 Millionen Dollar.“ Das ist ein Einbruch um fast 40 Prozent.
Oben auf dem Justizhügel berichtet Sheriff Hathaway von einem weiteren Ärgernis: Die Trump-Regierung drängt die lokalen Polizeibehörden, die Grenz- und Abschiebepolizei des Bundes bei den Deportationen zu unterstützen. In Santa Cruz County, einem der größten Stützpunkte der Grenzpolizei der USA mit rund 850 Beamten, klingt das kurios. Immerhin verfügt der Sheriff nur über eine 44-köpfige Truppe. Doch er hat weitreichendere Polizeibefugnisse. Deshalb will Trump die Aufgaben vermischen.
Doch Hathaway hat wie die meisten Kollegen in Arizona das Ansinnen aus Washington abgelehnt. „Ich will nicht, dass die Menschen hier nicht mehr 911 (die Notrufnummer, d. Red.) wählen, weil sie Angst haben, dass dann ein Abschiebebeamter vor ihrer Tür steht“, sagt er: „Das würde unsere Arbeit erheblich erschweren.“ Schon jetzt seien viele hispanischstämmige Einwohner wegen der häufigen Straßenkontrollen verstört: „Einige haben Angst, zur Arbeit zu gehen.“ Hathaway kann das Unbehagen verstehen. Er selbst ist in Zivilkleidung schon mehrfach ohne Anlass angehalten und überprüft worden.
Zurück zur Mauer, die eine Autostunde östlich die Prärie jeden Tag ein paar Meter mehr brutal durchschneidet. Gegen Migranten sei sie sinnlos, weil sie noch jahrelang rechts und links an ihr vorbei über ungesicherte Grenzabschnitte in die USA gelangen könnten, hat Bürgermeister Maldonado gesagt. Auch gegen Drogenschmuggel schütze sie nicht, hat Sheriff Hathaway argumentiert: Die gefährlichen Rauschgifte würden entweder durch die Kanalisation oder zunehmend mit Drohnen durch die Luft eingeschleust.
„Das ist viel zu viel Land. Das kann man niemals ganz abriegeln“, glaubt auch Rancher Lorta. Umso mehr sorgt er sich um die Jaguare und Ozelote, deren natürliche winterliche Wanderungsrouten gen Süden nun abgeschnitten werden. Und um die Touristen, von denen sein Betrieb lebt. „Die ersten Gäste aus New York haben schon beunruhigt angerufen“, berichtet er: „Das ist schlecht für das Image der ganzen Region.“
Schafft Trump mit seinem 300 Millionen Dollar teuren politischen Vorzeigeprojekt in Arizona also nur Verlierer? Nein, widerspricht Lorta beim Abschied mit einem bitteren Lachen. Sein Bruder besitze eine Baumaschinenfirma, die an der Errichtung des Monstrums beteiligt sei. Die Regierung zahle bestens, habe der ihm berichtet und geprahlt: „Wenn das so weitergeht, kann ich in zwei Jahren in Rente gehen.“
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