Warum die Umbenennung von Spielplätzen in Köln für Aufregung sorgt

Es müssen hunderte Stunden gewesen sein, vielleicht tausende, die ich als junger Vater auf deutschen Spielplätzen verbracht habe. Da saß ich, dem glucksenden Nachwuchs zuliebe, mangels Bank auf einer rissigen Tischtennisplatte, lauschte dem Quietschen poröser Schaukeln und sehnte mich nach einem Cappuccino.
Und ich lernte: Der Name „Spielplatz“ ist noch das geringste Problem an diesen seltsamen, noch immer oft tristen Orten, die sich die vergreisende Republik zur Zerstreuung ihrer immer weniger werdenden Kinder mühselig abgetrotzt hat.
Der Stadtverwaltung Köln gefällt der Name „Spielplatz“ nicht. Zu „eingrenzend“ sei das Wort und nicht mehr zeitgemäß. Die Bezeichnung trage „dem erweiterten Inklusionsgedanken“ nicht Rechnung, der „die Diversität der Nutzer*innen im Rahmen ihres Alters, ihrer kulturellen Hintergründe und möglicher Behinderungen berücksichtigt“. So heißt es in der Mitteilung.
Also sollen, so schlug die Verwaltung darin dem Jugendhilfeausschuss nach einem zweijährigen Wortfindungsprozess vor, die 700 städtischen Spielplätze in „Spiel- und Aktionsflächen“ umbenannt werden. Gut 2000 neue Schilder müssten dafür her. Schließlich seien Spielplätze Orte für „verschiedene Alters- und Zielgruppen“. Dort spielten nicht nur Kinder.
Das ist richtig, könnte man zynisch antworten. Auf Spielplätzen spielen tatsächlich nicht nur Kinder. Es werden außerdem Drogen gespritzt, Bierflaschen geleert, Joints geraucht, Jugendliche gemobbt, Wippen zerstört und Wände beschmiert.
Es wäre wichtiger, bei diesen echten Missständen endlich flächendeckend Abhilfe zu schaffen, statt sich in semantischer Übervorsorglichkeit um neue Schilder zu kümmern. Aber gut - das ist natürlich einfacher und billiger, als die gut 100.000 Spielplätze in Deutschland mit Liebe und Geld in Zauber- und Erlebnisorte zu verwandeln. Es muss ja nicht gleich ein Cappuccinostand sein.

Keine Eingrenzung mehr: Das geplante neue Schild mit der Bezeichnung "Spiel- und Aktionsfläche" sollte nach Plänen der Stadtverealtung an Spielplätzen in Köln angebracht werden.
Quelle: Stadt Köln/dpa
Kurze Frage nach Köln: Geht’s noch? Es ist, als habe die Stadt im Wettbewerb „Wie weit kann sich eine Stadtverwaltung vom gesunden Menschenverstand entfernen?“ ein ganz neuer Ehrgeiz gepackt.
Welches Kind würde ernsthaft sagen: „Tschüss Mama, ich gehe mit Anna auf die Spiel- und Aktionsfläche“? Und wenn dieses bürokratische Wortmonster ohnehin nur als Verwaltungs-Fachvokabel dienen soll - warum dann nicht gleich einen hübschen Ausdruck wählen, den Menschen seit Jahrzehnten tatsächlich erfolgreich benutzen und verstehen, wie zum Beispiel: „Spielplatz“?
Man muss sich als besorgter Kölner Verwaltungsmensch schon heftig auf inklusionstheoretischen Abwegen verlaufen haben, um in das absolut sachgerechte Wort „Spielplatz” irgendwelche Unklarheiten oder sogar diskriminierende Ausgrenzungseffekte hineinzulesen. Es ist ein prototypisches Beispiel für aus dem Ruder gelaufene gute Absichten.

Sehnsucht nach Cappuccino: Weder für Kinder noch für Eltern sind viele deutsche Spielplätze schöne Erlebniswelten.
Quelle: Monika Skolimowska/dpa
Allein die Gestaltung der neuen Schilder hat bereits 38.000 Euro gekostet - ohne Herstellung und Aufstellung. Ich würde gern wissen, wann zuletzt ein verwirrter Großvater zögernd vor einem Spielplatz stand - rätselnd, ob auch er oder nur sein Enkel diesen Ort betreten darf?
Natürlich schlugen die Wellen hoch. Zu Recht. Denn im Kölner „Spielplatz“-Streit spiegelt sich der elende deutsche Trend zu einem volkserzieherischen Rigorismus, der zwar beste Absichten hegt, sich dabei aber weit von gesunder Urteilskraft und bodenständigem Pragmatismus entfernt und vielen heftig auf die Nerven geht, nicht nur im reaktionären politischen Lager. Hat sich jemals irgendwo in diesem Land auch nur ein einziger Mensch auch bloß eine Sekunde lang vom Wort „Spielplatz“ ausgegrenzt gefühlt?
Es fühlt sich nicht jeder und jede gemeint? Warum nennen wir Spielplätze dann nicht gleich „Altersunabhängiges Spiel-, Aufenthalts- und Betätigungs-Areal zur Hebung der Bevölkerungszufriedenheit unter Einbeziehung sämtlicher sich im Stadtgebiet von Köln aufhaltenden Menschen ohne Ansehen von Geschlecht, Abstammung, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung“? Dann werden die Schilder zwar ein bisschen teurer, aber dafür droht keine Diskriminierung.

Ist gegen die Umbenennung der Spielplätze: die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Quelle: Christoph Reichwein/dpa
Die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat erkannt, dass das Thema zahllose Menschen zu Recht triggert - und die übereifrige Verwaltung ausgebremst: „Ich persönlich finde die Bezeichnung ‚Spielplatz‘ klar und verständlich“, sagte sie. Auch habe sie „angesichts der Herausforderungen, vor denen Köln steht, kein Verständnis dafür, dass sich die Verwaltung mit der Neugestaltung von Spielplatzschildern beschäftigt“. Am Freitag soll sich der Rat der Stadt Köln des Themas annehmen.
Die Sprache ist als universales Alltagswerkzeug ein wichtiges Schlachtfeld für kulturelle Kämpfe. Ihre Macht bei der Zementierung von Ungerechtigkeiten ist unbestritten, mehr Sensibilität ist dringend geboten. Und natürlich geht das Abendland nicht unter, weil ein „Spielplatz“ jetzt „Spiel- und Aktionsfläche“ heißen soll. Aber: Der Fall ist ein Symbol für einen grassierenden Tugendfuror, der viel zu oft in alltagsuntaugliche, akademische Umstandskrämerei mündet.
Und: Wer sagt überhaupt, dass „Spielen“ eine reine Kinderangelegenheit ist? Möglich, dass man in Kölner Verwaltungstuben zwangsläufig jeden Spieltrieb verliert. Aber Spielen ist altersunabhängig. Jeder und jede kann spielen, nicht nur Kinder! Es täte der Erwachsenenwelt sehr gut, dem ergebnisoffenen Spiel im Leben mehr Raum zu geben - dann hätte man in Rathäusern auch weniger Zeit für idiotische Kopfgeburten.
rnd