Einst sollte der Auslanddienst der SRG eine neutrale Stimme im «Ätherkrieg» sein und der Überwindung des Hasses dienen. Ist er noch zeitgemäss?

Der Informationsdienst Swissinfo der SRG steht unter Druck. Der Bundesrat will die Finanzierung streichen, doch die Sparmassnahme ist äusserst umstritten.
Edzard Schade

Photopress-Archiv/Keystone
Als «Schweizer Stimme in der Welt seit 1935» präsentiert sich der SRG-Auslanddienst stolz. Doch nun droht dieser Stimme das Aus. Der Bundesrat will den Bundesbeitrag für SWI Swissinfo.ch streichen. Das Parlament hat noch nicht abschliessend entschieden. Setzt sich die Regierung durch, würde die Hälfte des Budgets von 37 Millionen Franken wegfallen. Nicht zum ersten Mal müsste die SRG ihr Auslandangebot ohne Bundesbeitrag finanzieren.
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Die SRG produziert seit über neunzig Jahren publizistische Auslandangebote mit unterschiedlicher Begründung. Mit den Informationsangeboten sollen die weltweit verstreuten Auslandschweizer an ihr Heimatland gebunden werden. Weiter gesteckt ist das Ziel, das Image der Schweiz als neutrale Stimme im Ausland durch zuverlässige Informationsangebote zu stärken.
Nach dem Ersten Weltkrieg wird die Schweiz zu einem wichtigen Schauplatz internationaler Rundfunkkooperation. Die Gründung der Internationalen Radio-Union in Genf 1925 – der Vorgängerin der Europäischen Rundfunkunion (EBU) – geht zurück auf Initiativen schweizerischer Radiopioniere wie Maurice Rambert, des späteren SRG-Direktors. Auch der in Genf beheimatete Völkerbund, zu dessen 47 Gründungsmitgliedern die Schweiz gehört, setzt Impulse für eine grenzüberschreitende, friedenssichernde Nutzung des Radios.
Albert Einsteins vergebliche HoffnungEs gilt, den durch die nationale Propaganda der kriegführenden Staaten über Jahre geschürten Hass zu überwinden. Albert Einstein spricht 1930 noch hoffnungsvoll über die konstruktive Rolle des Radios bei der Völkerversöhnung: «Bis auf unsere Tage lernten die Völker einander fast ausschliesslich durch den verzerrenden Spiegel der eigenen Tagespresse kennen. Der Rundfunk zeigt sie einander in lebendigster Form und in der Hauptsache von der liebenswürdigen Seite. Er wird so dazu beitragen, das Gefühl gegenseitiger Fremdheit auszutilgen, das so leicht in Misstrauen und Feindseligkeit umschlägt.»
Die politische Stimmung multilateraler Friedens- und Wohlstandssicherung schlägt mit der Weltwirtschaftskrise 1929 um. Mehrere Staaten starten vielsprachige Propagandaprogramme, etwa die Sowjetunion mit Radio Moskau. Der Völkerbund versucht dem «Ätherkrieg» gegenzusteuern und sendet zwischen 1929 und 1939 unter dem Namen Radio-Nations, zunächst über einen niederländischen Kurzwellensender, ab 1932 über eine eigene Anlage in Prangins am Genfersee.
Die SRG strahlt eigenfinanzierte Auslandprogramme ab 1932 über den Völkerbundssender aus und gründet 1935 den Schweizerischen Kurzwellendienst. Die Bundesbehörden fördern den Auslanddienst und bewilligen 1938 Baukredite für Kurzwellensenderanlagen in Schwarzenburg. Als Radio-Nations mit Kriegsbeginn verstummt, intensiviert der nationale Radioveranstalter sein Auslandengagement. Etwa mit den international vielbeachteten Kurzwellensendungen «Tageschroniken» (1939–1945) über schweizerische und ausländische Ereignisse und der wöchentlichen «Weltchronik» von Jean Rudolf von Salis.
Der Bund zahlt ab 1964 SubventionenNach dem Zweiten Weltkrieg baut die SRG ihren vielsprachigen Dienst weiter aus und erhält dafür 1964 erstmals Bundessubventionen. Die Niederschlagung von Demokratisierungsbewegungen in Osteuropa führt zu weiteren Investitionen des Staates. Als der Bund 1977 das Budget drastisch kürzen möchte, betont die NZZ am 9. Dezember 1977 die Notwendigkeit des Auslanddienstes für die Förderung gegenseitigen Verständnisses: «Schliesslich werden mit Kurzwellensendungen auch Informationslücken geschlossen, die in anderen Ländern noch bestehen – seien sie nun beabsichtigt oder einfach Folge der Verhältnisse.»
Bundespräsident Kurt Furgler würdigt 1985 die Arbeit des SRG-Auslanddienstes in einer zeitlos wirkenden Formulierung: «Unabhängigkeit, Sachlichkeit und Präzision als besondere Merkmale der schweizerischen Berichterstattung entsprechen aber nicht nur in Kriegs- oder Krisenzeiten einem weltweiten Bedürfnis, sie sind immer und jederzeit unentbehrlich, um die Interessen unseres Landes zu wahren und die Kontakte zu allen anderen Nationen und Völkern herzustellen und zu vertiefen.»
Mit dem Ende des Kalten Krieges wird die aussenpolitische Funktion des Auslanddienstes vermehrt infrage gestellt. Kürzung oder Streichung der Bundesbeiträge werden seither regelmässig im Rahmen von Sparpaketen beantragt, so 1994, 2003, 2010, 2016 und letztmals 2024. Die Abschaltung der Kurzwellensender in Schwarzenburg (1998) und Sottens (2004) zugunsten der Internetverbreitung spart Millionen.
Dennoch werden die Debatten um allfällige Streichungen härter. 2003 argumentiert der SVP-Nationalrat Maximilian Reimann, Swissinfo liefere «eine Leistung, die ein Zeitungsverlag auch erbringen könnte». Ein Argument, das bis heute regelmässig gegen die SRG vorgebracht wird. 2005 schlägt die SRG ein Sparprogramm über 80 Millionen Franken vor, das eine Reduktion auf einen englischsprachigen Dienst vorsieht – erstmals signalisiert sie Bereitschaft, den Service public zu verkleinern.
Das Parlament folgt dem Sparvorschlag jedoch nicht. Vielmehr bekräftigt eine Mehrheit die Bedeutung der medialen Präsenz der Schweiz im Ausland durch die «kulturelle Diplomatie» von Swissinfo und SRI. Entsprechend wird im Radio- und Fernsehgesetz von 2006 an der hälftigen Finanzierung durch Bund und SRG festgehalten. Der betreffende Gesetzestext ist noch in Kraft.
SRG heute gegen eine Streichung – Bürgerliche dafürAnders als vor zwanzig Jahren möchte die SRG heute am vielsprachigen Auslandangebot festhalten. Ohne Bundesbeitrag sei die Finanzierung jedoch infrage gestellt, da die SRG wegen der Kürzung der Medienabgabe von heute 335 auf 300 Franken Einsparungen von 270 Millionen Franken umsetzen müsse, erklärt die Swissinfo-Direktorin Larissa Bieler. Den möglichen Verlust von Swissinfo als Stimme der neutralen Schweiz im Ausland erachtet sie im Kontext hybrider Konfliktführung als besonders kritisch: «Der Gute Dienst einer niederschwellig zugänglichen, unabhängigen und sachlichen Information über die Schweiz gewinnt angesichts globaler Medienkonzentration und wachsender Desinformation an sicherheitspolitischer Bedeutung.»
Private Medienhäuser argumentieren dagegen, die Auslandschweizer könnten sich auch mit ihren Angeboten zuverlässig informieren. Der Bundesrat folgt in seiner Sparbotschaft dieser Argumentation: «Das Informationsangebot im Ausland von der beziehungsweise über die Schweiz ist durch die diversen Medienkanäle heute sehr umfassend.»
Die bundesrätliche Position wird von den Parteien FDP, GLP und SVP unterstützt. Der Verlegerverband Schweizer Medien äussert sich jedoch zu sämtlichen Sparvorschlägen im Bereich der Medien kritisch und empfiehlt, «auf Sparmassnahmen zuungunsten (. . .) des Auslandangebotes der SRG zu verzichten». Die Mediengewerkschaft SSM hat kürzlich eine Petition gegen die Kürzung der Bundesbeiträge eingereicht.
Die Entscheidung liegt beim Bundesparlament. Am 17. Dezember hat der Ständerat mit 22 zu 19 Stimmen knapp gegen die vorgeschlagene Streichung entschieden. Der Nationalrat wird sich voraussichtlich im Frühjahr mit diesem Sparvorhaben befassen.
nzz.ch




