Multiple Sklerose: Tolebrutinib verlangsamt Fortschreiten von Behinderungen



Bei der Multiplen Sklerose laufen akute und schwelende Entzündungsprozesse im Gehirn ab, die zu körperlichen Einschränkungen führen. Auch Patienten ohne Schübe erleiden zunehmend Behinderungen. / © Adobe Stock/freshidea
Bei der Multiplen Sklerose (MS) laufen akute und schwelende Entzündungsprozesse im Gehirn ab, die zur zunehmenden Behinderung führen. Trotz Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Therapeutika erleben viele Patienten unabhängig von Krankheitsschüben, dass ihre Behinderung stärker wird. Dafür wird die schwelende Neuroinflammation verantwortlich gemacht.
»Die Behinderungsprogression, gemessen mit der Expanded Disability Status Scale (EDSS), kann viele Jahre langsam verlaufen, dann aber plötzlich ansteigen, wenn die neurobiologischen Reserven aufgebraucht sind«, erklärte Professor Dr. Ralf Gold vom Katholischen Klinikum Bochum vergangenen Mittwoch bei einem Pressegespräch von Sanofi. Mit der Chronizität der MS nähmen die körperlichen Einschränkungen zu, und oft seien auch die Kognition, die geistige Flexibilität und Ausdauer betroffen. Im Gegensatz zu anderen MS-Verlaufsformen gebe es für Menschen mit nicht schubförmiger sekundär progredienter MS (nrSPMS) bislang keine zugelassene Therapie.
Hier könnte sich der BTK-Hemmer Tolebrutinib beweisen. Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) ist eine zytoplasmatische Tyrosinkinase, die unter anderem in B-Zellen sowie in Makrophagen und Mikroglia exprimiert wird. Sie ist an der Regulation der B-Zellreifung und -funktion sowie an der Zytokin-Freisetzung beteiligt. Durch Hemmung des Enzyms werden Signalwege unterbrochen, die für die Mikroglia-Aktivierung und für B-Zellfunktionen essenziell sind.
Tolebrutinib überwindet nach oraler Einnahme die Blut-Hirn-Schranke. »Daher scheint die 60 mg-Dosis auszureichen, um Mikroglia im Zentralnervensystem zu erreichen«, sagte der MS-Experte.
Der Effekt von Tolebrutinib wurde in der kürzlich publizierten, randomisierten Phase-III-Studie HERCULES gezeigt. Eingeschlossen wurden 1131 Patienten mit nrSPMS, von denen 754 Personen das Medikament (60 mg einmal täglich) und 377 ein Placebo erhielten. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum Einsetzen einer nach sechs Monaten bestätigten Behinderungsprogression (CDP). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 133 Wochen.
In einem Beobachtungszeitraum von bis zu 45 Monaten verschlechterten sich die körperlichen Funktionen um 26,9 Prozent unter Tolebrutinib und um 37,2 Prozent unter Placebo; der Unterschied war signifikant. Die relative Risikoreduktion für die Sechs-Monats-CDP lag bei 31 Prozent. Laut Gold bedeutet dies eine Verzögerung um etwa ein bis eineinviertel Jahr.
Neben der verlangsamten Krankheitsprogression zeigte sich bei 10 Prozent der Personen in der Verumgruppe sogar eine Verbesserung von körperlichen Funktionen (unter Placebo bei 5 Prozent); dies war ein sekundärer Endpunkt. Zusätzlich sank das Risiko für neue T2-Läsionen in der Magnetresonanz-Tomografie um 38 Prozent.

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