Trumps Politik des Deals scheitert an der Realität. Nun muss er sich der Alternative stellen

Der amerikanische Präsident wollte aussenpolitisch alles anders machen. Doch ob in Nahost, in China oder in Russland, Trump landet immer wieder bei einer traditionellen republikanischen Aussenpolitik.
Ulrich Speck
Immer wieder macht Donald Trump deutlich, dass er Putins Motive, den Krieg gegen die Ukraine fortzusetzen, nicht versteht. Jüngst erklärte der amerikanische Präsident: «Ich bin sehr enttäuscht, weil Wladimir und ich eine sehr gute Beziehung hatten, sie wahrscheinlich immer noch haben. Ich weiss nicht, warum er diesen Krieg fortführt. Der Krieg verläuft so schlecht für ihn.» Russland mache kaum Fortschritte und habe etwa anderthalb Millionen Soldaten verloren.
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Trump war noch vor einem Jahr überzeugt, den Krieg schnell beenden zu können. Das Versprechen, dies binnen 48 Stunden zu tun, war einer seiner Wahlkampfschlager. Die Krisen der Welt, wie er sie bei seinem Amtsantritt vorfand, waren für ihn im Wesentlichen ein Ergebnis der Schwäche seines Vorgängers Joe Biden.
Jetzt würde alles anders werden, glaubte Trump. Im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit konnte er nun nicht mehr von konventionell denkenden Beratern zurückgehalten werden. Er würde die Probleme lösen: Frieden in der Ukraine schaffen, einen Deal mit China aushandeln, den Nahen Osten befrieden.
Trumps ökonomische LogikTrump vertraut auf eine Logik des Deals, die aus der Immobilienbranche stammt. In ihr bewegte sich der Präsident ein Leben lang. Die Gegenseite verfolgt Interessen, die zwar teilweise anders gelagert sind als die eigenen. Doch im Grunde hat man das gemeinsame Interesse, zu prosperieren und voneinander zu profitieren. Wenn man nur die Interessen der Gegenseite richtig mit den eigenen kombiniert, kann man zu einer Abmachung kommen, die nach der ökonomischen Logik des «win-win» funktioniert. So wird aus der Konkurrenz eine Partnerschaft.
Hinzu kommt bei Trump eine Prägung aus dem TV-Showbusiness, wo er eine zweite Karriere machte. Jüngst konnte man bei der Friedenskonferenz im ägyptischen Sharm al-Sheikh, wo Trump den Gaza-Waffenstillstand von herbeizitierten Staatsführern feiern liess, wieder einmal beobachten, wie eng Trumps Politikstil mit dem Reality-TV verwandt ist. Nach und nach verlas er die Namen anwesender Länder und hatte für jedes ein paar lobende und auch spöttische Worte. Eine Mischung aus Eurovision und Oscar-Verleihung. Wobei er das grösste Lob, typisch Trump, für sich selbst aufsparte.
Wo Trump dagegen nicht zu Hause ist, ist die Welt der Politikanalyse. Was diejenigen antreibt, mit denen er es zu tun hat, von Putin bis Xi, ist ihm eher gleichgültig. Es spielt für ihn schlicht keine Rolle. Seiner Auffassung nach haben sie sich alle in eine Aufführung einzufügen, in der er selbst die Regie führt. Wer sich nicht fügt, muss dazu gebracht werden. Das macht Trump erst sanft mit Aufforderungen, dann immer deutlicher mit Druckmitteln.
Ein vermeintlicher Erfolg in NahostTrump ist davon überzeugt: Wenn man ihn nur machen lässt, gibt es keinen Konflikt, den er nicht lösen kann. Regelmässig veröffentlicht das Weisse Haus Listen von Kriegen, die der Präsident angeblich beendet hat. Die Liste von vermeintlichen Erfolgen aber verhüllt nur notdürftig, dass Trump mit seiner Methode kaum vorankommt.
Am erfolgreichsten war er bislang im Nahen Osten. Das lag aber weniger an seinen Ideen, von denen eine war, die Palästinenser zeitweise aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Sondern es lag vor allem daran, dass Israel im Gefolge der Hamas-Attacke vom 7. Oktober 2023 seine ganze Militärmacht einsetzte, um den Gegenspieler Iran und dessen Verbündete in der Region zu schwächen und die Hamas weitgehend militärisch zu besiegen.
Trump musste nicht mehr tun, als Israel freie Hand zu lassen, beim Angriff auf Iran mit bunkerbrechenden Bomben zu helfen und schliesslich seinen Schwiegersohn Jared Kushner dessen exzellente Kontakte in der Region spielen zu lassen, damit ein Deal zwischen der Hamas und Israel ausgehandelt werden konnte.
China und Russland: an der Realität gescheitertIn der Ukraine hingegen ist Trump nach neun Monaten fast unablässiger Bemühungen kaum weitergekommen. Seine Überzeugung, Putin wolle den Frieden und man müsse ihm nur eine Brücke bauen, ist an der Realität zerschellt. Statt als neutraler Friedensstifter auftreten zu können, bleibt dem US-Präsidenten jetzt keine andere Option, als die Ukraine stärker zu unterstützen und den Druck auf Russland zu erhöhen. Nur so kann er weiterkommen.
Mit dem Blick auf China wird die ganze Ratlosigkeit Trumps sichtbar. Seine Vorstellung, ein weitaus stärkeres, überlegenes Amerika könne China mit Zöllen dazu zwingen, einen umfassenden Deal nach amerikanischen Wünschen abzuschliessen, erweist sich als realitätsfremd. Weder ist Xi der Freund, als der ihn Trump stets bezeichnet, noch will sich China amerikanischen Wünschen fügen. Auf Druck aus Washington reagiert Peking mit Gegendruck, wofür es die gesamte Palette seiner geoökonomischen Instrumente einsetzt. China schätzt sich als mindestens gleichrangig mit den USA ein, möglicherweise hält es sich gar für überlegen.
Annäherung an den MainstreamTrump verfolgt mittlerweile eine Politik, die zwischen seinem eigenen Ansatz der Partnerschaft und einer klassischen republikanischen Aussenpolitik der Stärke oszilliert.
Unablässig macht Trump Angebote an seine Gegner: an Russland, China und Iran. Für ihn bleibt der Deal, der mit einem Mal alle Probleme aus dem Weg räumt und Harmonie schafft, das Mass aller aussenpolitischen Dinge. Doch die Logik der Verhältnisse zwingt Trump in eine Richtung, die vom US-Kongress und von zentralen Mitgliedern seines Teams, Aussenminister und Sicherheitsberater Marco Rubio und Finanzminister Scott Bessent, vertreten wird.
Für sie sind China und Russland Gegner, deren Einfluss man eindämmen muss, weil sie eine andere Vorstellung von Ordnung verfolgen und weil sie ihre Macht auf Kosten Amerikas und seiner Verbündeten vergrössern wollen. Die Möglichkeit einer Partnerschaft ist für sie bloss eine gefährliche Illusion.
Je erfolgloser Trumps Vorstösse für Deals mit den globalen Gegenspielern sind, umso mehr nähert sich Trump dem republikanischen Mainstream wieder an. Und damit auch der Aussenpolitik seines Amtsvorgängers Biden, der aussenpolitisch ebenfalls nah an diesem Mainstream war.
In Bezug auf Russland setzt Trump jetzt auf Druck und Stärke. Schon seit Monaten haben die USA, wie kürzlich bekanntwurde, die Ukraine bei Angriffen auf russische Energieanlagen unterstützt. Die Feindseligkeit Trumps gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenski, den er zeitweise für das Scheitern der Friedensbemühungen verantwortlich machte, ist einer vertrauten Partnerschaft gewichen.
Die USA entkoppeln sich von ChinaDerweil rückt der Deal mit China in weite Ferne. Im geoökonomischen Kräftemessen zwischen den USA und China bleibt kein Platz für Verhandlungen. Zu unterschiedlich sind die Prioritäten beider Seiten, und zu gross ist die Uneinigkeit darüber, wo die Stärken und Schwächen des anderen liegen. Immer mehr setzen die USA auf die eigene Stärke und auf ein faktisches Entkoppeln.
In dem Masse, in dem China die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Amerikas und seiner Partner zur Waffe macht, wächst deren Bemühung, sich von China unabhängiger zu machen. Jetzt hat die amerikanische Bank JP Morgan Chase verkündet, über zehn Jahre 1,5 Billionen Dollar in kritische Industrien zu investieren. Der Bank-Chef Jamie Dimon sagt: «Es ist schmerzlich klargeworden, dass die Vereinigten Staaten sich zu sehr auf unzuverlässige Quellen kritischer Mineralien, Produkte und Produktionsmittel verlassen haben – die alle für unsere nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind.»
Im geopolitischen ZeitalterAuch im Nahen Osten ist noch keineswegs klar, ob der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas hält. Die Hamas müsste zustimmen, sich selbst zu entwaffnen, oder gewaltsam entwaffnet werden. Und ob die regionale Schwächung Irans – die eine Voraussetzung für einen neuen Nahen Osten ist – von Dauer ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Washington müsste sich ausser in Gaza auch intensiv in Syrien und in Libanon engagieren, um eine Wiederkehr der iranischen Dominanz zu verhindern.
An den weltweiten Konfliktpunkten wird klar: Trumps Idee der Partnerschaft erinnert zu sehr an die Ära der Globalisierung, im neuen geopolitischen Zeitalter ist sie eine Illusion.
In Moskau, Peking und Teheran glauben viele, der Westen sei am Ende und die Zeit der eigenen Dominanz sei gekommen. Um die Entwicklung in diese Richtung zu beschleunigen, sind sie bereit, erhebliche Opfer in Kauf zu nehmen. Umso mehr, als die Kosten für Kriege und wirtschaftliche Einbussen nicht von den autokratischen Eliten getragen werden.
Damit bleibt auch Trump nur der Plan B: eine Politik der Stärke, die auf den technologischen und militärischen Vorteil, auf Allianzen und auf die Eindämmung der Gegner setzt.
nzz.ch