Globus muss der Migros im nächsten Frühling 125 Millionen zurückzahlen – verdient aber immer noch kein Geld

Die thailändischen Eigentümer verlieren die Geduld. Statt auf Servicequalität setzen sie auf Rabatte und Sparkurs. Doch der Versuch, Globus so rentabel zu machen, könnte das Warenhaus erst recht in die Krise treiben.

Benjamin Manser / CH Media
Treue Globus-Kunden haben es längst bemerkt. Seit Anfang Jahr weht im Schweizer Traditionswarenhaus ein anderer Wind. Wo früher dezent beraten wurde, wird nun Umsatz gebolzt.
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Der neue Kurs trägt die Handschrift von Pierluigi Cocchini, Chef der italienischen Warenhauskette La Rinascente. Er übernahm im Februar auch die Leitung von Globus, das wie Rinascente der thailändischen Central Group gehört. Der langjährige Globus-CEO Franco Savastano trat ab.
Cocchinis Auftrag: Globus so rasch wie möglich profitabel machen. Denn Globus, das zeigen Recherchen, braucht dringend Geld. Das Unternehmen hat Schulden. Und diese könnten das Warenhaus ernsthaft in Schwierigkeiten bringen.
Im Mai 2026 läuft ein Darlehen von 125 Millionen Franken aus der Corona-Zeit aus. Das Geld stammt von der Migros, die Globus Anfang 2020 für eine knappe Milliarde an Central und den inzwischen kollabierten Immobilienkonzern Signa von René Benko verkauft hat. Kurz darauf legte die Pandemie den Detailhandel lahm. Als Entlastung gewährte die Migros den Käufern das Darlehen.
Die Migros bestätigt, dass die Rückzahlung im kommenden Frühling fällig ist. Doch Globus fehlt laut Quellen das Geld. Das Unternehmen schreibe bis heute rote Zahlen. Da ist nichts auf der Seite, um einen solchen Betrag zu stemmen.
Einspringen müssen die Thailänder, denn der Migros-Kredit ist teilweise mit Garantien abgesichert. Central übernahm vergangenes Jahr die Signa-Anteile an Globus und ist nun alleinige Eigentümerin des Warenhausgeschäfts.
Doch laut Insidern will Central kein weiteres Kapital einschiessen. Die Gruppe hat bereits gegen eine Milliarde Franken investiert: in den Kauf, teure Umbauten und die Modernisierung mehrerer Filialen.
Die Thailänder wollen Geld sehenZuerst wurde die Hauptfiliale an der Zürcher Bahnhofstrasse rundum erneuert. Dann der Globus in St. Gallen und die auf Lebensmittel spezialisierte Niederlassung am Zürcher Bellevue. Kommende Woche kommt das grösste und teuerste Projekt zum Abschluss: Nach einem dreijährigen Umbau wird die Filiale am Basler Marktplatz neu eröffnet.
Statt noch mehr Mittel hineinzustecken, scheinen die Thailänder mit Globus die Geduld zu verlieren. Sie wollen endlich einen Return on Investment sehen – zumal sich manche Investition nicht ausgezahlt hat. Das neue Gastrokonzept am Zürcher Bellevue gilt als Flop, und auch die Filiale in St. Gallen bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Hier kommt Pierluigi Cocchini ins Spiel. Er setzt in der Schweiz auf dasselbe Konzept wie in Italien: ständige Rabatte und wechselnde Themenverkäufe – mal Kosmetik, mal Haushalt, mal Feinkost. Keine Woche vergeht ohne 20-Prozent-Aktion.
Diesen Sommer führte Globus sogar die in Italien zelebrierte «Black Friday Summer Edition» ein. Beim «normalen» Black Friday Ende November ist man neuerdings auch dabei. Und gleich nach dieser Rabattschlacht soll – bisher undenkbar für Globus – der Ausverkauf starten. Noch bevor Weihnachten überhaupt stattgefunden hat.
In Italien funktioniert das offenbar, was wohl auch der Grund ist, dass die Central Group Cocchini die Verantwortung für zusätzliche Warenhäuser übertragen hat. Neben Globus rapportiert nämlich neu auch die deutsche KaDeWe-Gruppe mit ihren Häusern in Berlin, Hamburg und München an ihn.
Aber: Die Ausgangslage in der Schweiz unterscheidet sich komplett von der in Italien und Deutschland. Rinascente, wie auch das KaDeWe, profitiert stark von Touristen. Diese sind für Luxusschnäppchen empfänglich und bekommen auch nicht mit, dass jede Woche Rabatt ist.
Die Globus-Kundschaft ist hingegen zu 98 Prozent schweizerisch. Die meisten sind treue Stammkunden, die Beratung und Qualität schätzen und bereit sind, dafür einen Aufpreis zu bezahlen.
Doch für die Bedürfnisse des Schweizer Marktes scheint das italienische Management wenig übrig zu haben. Denn genau dieses Qualitätsversprechen steht bei Globus auf der Kippe. Das italienische Management hat einen strikten Sparkurs eingeschlagen. Vorne werden den Kunden Luxuspreise abgeknöpft, hinter den Kulissen hält nur noch eine Rumpftruppe den Betrieb aufrecht. Globus verkomme zu einer Selbstbedienungs-Boutique mit Luxuspreisen, sagen Insider.
Gemäss Recherchen hat ein Grossteil des Topmanagements Globus verlassen oder wurde entlassen. Das operative Geschäft soll weitgehend von Italien aus gesteuert werden. Marketing und Finanzen werden bereits mehrheitlich dort gemacht.
Derzeit arbeiten im Headquarter noch rund 160 Personen, aber schon bald könnten es deutlich weniger sein: Im Februar zieht die Globus-Zentrale innerhalb von Zürich um, um Mietkosten zu sparen. Am neuen Ort habe es gerade noch Platz für 45 bis 55 Leute, sagen Quellen.
Delicatessa in GefahrUngewiss ist vor allem die Zukunft der Feinkostabteilung Delicatessa. Sie gilt als Aushängeschild von Globus. Doch sie ist kostspielig, speziell die Frischwaren wie Fleisch und Fisch: Diese verlangen eine aufwendige Logistik. Viele Warenhäuser haben deshalb Abstand von den Frischwaren genommen.
Bei Globus jedoch gehört die Delicatessa zur DNA. Aber: Mehrere erfahrene Teams haben das Unternehmen dieses Jahr verlassen. Insider bezweifeln, dass sich die Abgänge ersetzen lassen. Denn der Lebensmitteleinkauf lässt sich, anders als bei Mode oder Kosmetik, nicht aus Italien steuern. Er erfordert lokale Präsenz und langjährige Beziehungen.
Ob Globus in Zukunft noch auf frische Produkte setzt, ist daher offen. Denkbar ist, dass künftig vor allem abgepackte Ware in den Regalen liegt – Panettone und Nusscrème statt Früchte und Fleisch.
Das Hauptproblem von Globus aber ist nach wie vor die viel zu hohe Miete des Zürcher Flagship-Stores an der Bahnhofstrasse. Sie soll rund 25 Millionen Franken pro Jahr betragen – fast 17 Prozent des Umsatzes. Als tragfähig gelten höchstens 9 bis 10 Prozent. Sie liegt also rund 10 Millionen über dem Niveau, das in der Branche als gesund gilt.
Der Mietzins stammt aus der Zeit von René Benko. Seine Methode war es, mit hohen Mieten den Wert seiner Liegenschaften in die Höhe zu schrauben. Zwar ist das Haus an der Bahnhofstrasse zur Hälfte im Besitz der Central Group. Doch die andere Hälfte, die der Signa gehörte, ist nun Teil von deren Konkursmasse. Deshalb konnte die Miete bisher nicht neu ausgehandelt werden.
Weil sich das kurzfristig nicht ändern lässt, setzt man nun auf schnelle Effekte: Jobabbau, Zentralisierung und aggressive Preisaktionen. Doch das ist gefährlich. Wenn Rabatte an der Tagesordnung sind, zahlt kein Kunde mehr den vollen Preis. Und wenn die Qualität abnimmt, bleibt er ganz weg.
Und was sagen die Verantwortlichen zu diesen offenen Fragen? Wird die Central Group das Portemonnaie noch einmal zücken und der Migros ihr Geld zurückzahlen? Was passiert mit Globus, wenn nicht? Was ist mit der sinkenden Qualität, dem massiven Stellenabbau, den Mieten? Die «NZZ am Sonntag» hat den Medienstellen von Central und Globus lange Fragebögen zukommen lassen. Doch diese liessen auch auf mehrmaliges Nachfragen nichts von sich hören.
Nicht einmal ein «Kein Kommentar» kam zurück. Die Schweizer Befindlichkeiten, so scheint es, sind sowohl dem italienischen Globus-Management wie auch den thailändischen Besitzern völlig egal.
Ein Artikel aus dem «NZZ am Sonntag»
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