Von wegen goldene Ära, Gianni: Die Klub-WM überführt den Fußball in ein dunkles Zeitalter

Die Klub-WM war einmal auch Gast in der großen Donald-Trump-Show im Weißen Haus.
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Die von FIFA-Präsident Gianni Infantino ins Leben gerufene Klub-WM endet mit dem Finale zwischen Paris Saint-Germain und Chelsea. Die vergangenen fünf Wochen haben demonstriert, wie aus einer Vision eine Dystopie erwachsen kann.
Das wird Donald Trump sich nicht nehmen lassen. Immerhin ist der US-Präsident ein echter Anhänger des "Soccers". Da schaut er natürlich vorbei, wenn der Beginn der "goldenen Ära" des Fußballs mit dem Endspiel zwischen Chelsea und Paris Saint-Germain (21 Uhr/ DAZN und im Liveticker auf ntv.de) endet. Am heutigen Sonntag ist es vorbei mit der ersten mit 32 Vereinen ausgetragenen FIFA-Klub-WM. Endspiel in New Jersey. Alle da, auch für die 15-minütige Half-Time-Show der Superlative hoch über dem Spielfeld. Wieder eine Neuerung, die fleißig kommentiert und diskutiert werden wird. Jede Interaktion ist eine gute Interaktion.
In der PR-Sprache der FIFA klingt das, was passieren wird, dann so: "Diesen Sonntag wird New York/New Jersey zum globalen Hotspot des Fußballs und der Musik. Das mit Spannung erwartete Finale der FIFA Klub-Weltmeisterschaft™ zwischen dem Chelsea FC und Paris Saint-Germain im MetLife-Stadion bietet den Fans Fußball auf Weltklasseniveau und ein über vierstündiges Nonstop-Spektakel." Es folgen lange Erklärungen, Zitate, Worte über Liebe und Musik. Dann heißt es: "Alle Programmpunkte des Tages gipfeln in einer feierlichen Medaillenzeremonie für den ersten Sieger der neuen FIFA Klub-Weltmeisterschaft™ und krönen damit ein Finale, das die Bedeutung des Klubfußballs neu definiert."
Mit dieser Krönung also endet der bis dahin "erfolgreichste Vereinswettbewerb der Welt". Das behauptet der manchmal zu Übertreibungen neigende FIFA-Präsident Gianni Infantino am Samstag bei einer Medienrunde im Trump Tower. Neben ihm waren einige FIFA-Legenden aufgereiht.
Die Erzählung vom Ende EuropasIn Deutschland enden am Sonntag für Fußball-Fans fünf Wochen voller Nebengeräusche aus einem der drei Gastgeberländer der Fußball-WM 2026. Während sie eigentlich nur die Transfernachrichten und die Turniere der U21 und der Frauen verfolgen wollten. Wenn überhaupt. Manchmal ist kein Fußball auch ganz schön gut. Wie alles attraktiver ist, wenn es nicht ständig verfügbar ist.
Die Klub-WM, das lässt sich getrost sagen, war ein Turnier, das die Herzen der Fans in Deutschland nie erreichte. Eines, das nicht abgelehnt wurde, weil es neu war, sondern weil es als der bisherige Höhepunkt eines die Allgemeinheit immer mehr verstörenden Größenwahns gesehen wurde. Die wunderbare Idee von der Suche nach der besten Vereinsmannschaft der Welt in einem echten Turnier mit Mannschaften aus allen Teilen der Welt verkam zu einem Turnier voller Gier, Politik und Zurechtweisungen. All das traf auf die ohnehin schon vorhandene Verdrossenheit des Publikums mit den Institutionen und Machthabern des Spiels.
Das Lamento der deutschen Vereinsvertreter war laut, klar und unüberhörbar: Die Anhänger in Deutschland, aber auch in England haben sich gefälligst für das Turnier zu interessieren. Sonst was? Eine Antwort gab es nicht. Nur Kontext: Alles andere außer Begeisterung sei europäische Arroganz. Europa müsse endlich einsehen, dass der Fußball nicht nur Europa gehöre, sondern allen Menschen auf der Welt.
Es war eine Erzählung, die jener ähnlich war, die Gianni Infantino spätestens zum Ende der WM 2022 in Katar durchblicken lassen hatte. Vom FIFA-Präsidenten formuliert, war es in Katar ein Gewaltakt. Er rammte Europas Fußball in den Boden. Von den europäischen Vereinsvertretern formuliert, war es nun eine sehr schwache und zudem sehr merkwürdige Erzählung. Ging es hier noch um die Interessen der Vereine und deren Anhänger?
Eine kurze Geschichte der MachtübernahmeEs ist bezeichnend, dass mit Paris Saint-Germain eine Mannschaft vor der Krönung steht, die diesen Widerspruch zwischen wunderbarem Fußball und der allumfassenden Zerstörung des alten Spiels in sich vereint. Der Klub ist ein weltweiter, von Katar finanzierter Marketingkonzern. Er löst nun aber auch auf dem Platz das Versprechen ein, das die Marke PSG mit ihren zahlreichen Gesichtern und ihrer Street Wear über die Jahre abseits des Platzes gegeben hat.
Paris Saint-Germain war Anfang der 2010er mit dem Einstieg Katars außerhalb Englands der Trendsetter für das Einwirken von Staaten in den Markt des Fußballs. In England hatte Finalgegner Chelsea mit Roman Abramowitsch in den 00ern die Tür geöffnet, durch die dann unter anderem auch die Vereinigten Arabischen Emirate bei Manchester City oder viel später auch Saudi-Arabien in Newcastle ging. Dazu gesellten sich europaweit US-amerikanischen Investorengruppen wie Fenway bei Liverpool oder RedBird CapitalPartner bei Milan oder Abramowitsch-Nachfolger Todd Boehly mit Clearlake Capital bei Chelsea. Sie teilen die Top-Klubs unter sich auf.
Fußball als MachtinstrumentAuf Verbandsebene ist das nicht anders: Infantino und seine Mitstreiter in den kontinentalen Verbänden haben den Fußball längst in die Obhut jener Antagonisten übergeben, die das Spiel bis auf die letzte Emotion ausweiden und später achtlos wegwerfen werden. Die modernen Herrscher über das Spiel bedienen sich der Leidenschaft der Anhänger als Machtinstrument. Wer sich einmal dem Fußball verschrieben hat, kommt schwer von dieser Seifenoper mit unzähligen Live-Events weg. Sie benutzen Vereine, um sichtbar zu werden. Sie benutzen den Sport, um sich nach innen gesellschaftlich abzusichern. Sie werden sichtbar, demonstrieren Stärke und entziehen sich den Konsequenzen für ihr Handeln.
All das gilt für Katar (mit Paris Saint-Germain) und das gilt für die Vereinigten Arabischen Emirate (u.a. mit der City Football Group um Manchester City). All das gilt noch viel mehr für das Königreich Saudi-Arabien, das als Geldgeber der Klub-WM auftrat und am Tag der Eröffnung des Turniers den saudischen Journalisten Turki al-Jasser hinrichten ließ. Er war 2018, also in dem Jahr, in dem der Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul zersägt und in Säure aufgelöst wurde, wegen "Terrorismus- und Hochverratsvorwürfen" verurteilt worden.
Wohltäter Saudi-ArabienBei der Klub-WM in den USA trat Saudi-Arabien als der große Wohltäter auf. Als die FIFA Probleme hatte, die TV-Rechte zu vergeben, bot urplötzlich DAZN eine Milliarde US-Dollar, kurze Zeit später stieg Saudi-Arabien bei DAZN ein und das Königreich erhielt per digitaler Akklamation den Zuschlag für die WM 2034. Kurz vor Start des Turniers stieg auch der saudische Staatsfonds PIF als Sponsor des Turniers mit ein. So viele Zufälle.
DAZN zeigte alle Spiele des Turniers vor der Paywall. Zahlen sind nicht bekannt. Das TV-Erlebnis schon. Es entspricht wohl dem, was die Anhänger des modernen Fußballs erwarten. In jedem Spiel steht mindestens die Welt auf dem Spiel, Kritik am System gibt es nicht, alles ist immer atemberaubend. Die Protagonisten lieben nur das Spiel. Ihre gigantischen Verträge haben Spieler und Trainer nur aus Liebe für die nächste Herausforderung, für den nächsten Schritt in ihrer Karriere unterschrieben. Und nicht für die 25 Millionen jährlich, die ihnen der Verein als Schmerzensgeld zahlt.
Wenn in diesen Spielen der Klub-WM gewechselt wird, schweigen die Kommentatoren im TV und die Werbung spricht. Auch bei den Cooling Breaks regierte der Kommerz. Es war ein düsterer Ausblick auf die kommenden Dauerwerbesendungen bei Topspielen. Eine einmal geöffnete Tür wird nicht mehr zugeschlagen.
Vor Ort selbst kämpften die Spieler mit der teilweise extremen Hitze und die FIFA mit den leeren Stadien. Der Weltverband war mit viel zu hohen Preisvorstellungen in den Kampf um Aufmerksamkeit in den USA gegangen. Weil auch Europa etwas von dem Turnier mitbekommen sollte, begannen die Spiele der teils vollkommen unbekannten Teams in den Mittagsstunden. Das von Konzerten bekannte Prinzip des Dynamic Pricings sorgte aufgrund der fehlenden Nachfrage nicht unbedingt für mehr Attraktivität. Zum Ende des Turniers wurden die Stadien voller. Das war zu erwarten gewesen.
Trump nutzt die Klub-WM für seine PolitshowAls das Turnier begann, befand sich mit Los Angeles eine der "Host Cities" im Epizentrum der Auseinandersetzung zwischen der dem Trump-Regime angeschlossenen Einwanderungsbehörde ICE und der Zivilgesellschaft. Der erratische US-Präsident drohte mit dem Kriegsrecht. Der Konflikt in Los Angeles faserte aus, die Überfälle des ICE blieben. Die Latinos, die wohl größte Gruppe der Fußballfans, mussten und müssen andauernd Razzien befürchten. Auch das trieb Zuschauer nicht unbedingt in die Stadien. Die deutschen Vereinsvertreter teilten mit, dass sie in den USA seien, um Fußball zu spielen, und nicht um politische Einschätzung abzugeben. Ein legitimer, aber auch (zu) einfacher Standpunkt.
Über das während des Turniers eröffnete "Alligator Alcatraz" betitelte Abschiebelager in den Sümpfen Floridas schwiegen sich die Vereinsvertreter aus. Gianni Infantino sowieso. Sie waren nicht gekommen, um ihre Stimme im Namen der Menschlichkeit zu erheben. Sie waren gekommen, um zu spielen und abzukassieren. Politik war das nur störend. Dabei blieb das Turnier hochpolitisch.
In den auf den Iran-Konflikt hinführenden Tagen hatte Trump sich Juventus Turin ins Weiße Haus eingeladen. Infantino war auch dabei. Sie alle blieben Staffage für die Politshow des TV-Manns, der so neue Zuschauer für seine Ankündigungen und Androhungen herbeischaffte. Der Iran-Konflikt kam und ging, der Fußball blieb noch eine Weile. Auch im Fußball dürfte es im kommenden Jahr einen neuen Iran-Konflikt geben. Die Einreiseverbote der US-Regierung gelten auch für den bereits qualifizierten WM-Teilnehmer Iran. Es gibt Ausnahmereglung für die WM. Doch kann darauf Verlass sein? Vollkommen unklar bleibt auch, was die Einreiseverbote für die Fans noch nicht qualifizierter Länder bedeuten werden. Schien in Katar 2022 eine ganze Nation alles zu tun, um das Turnier zu ermöglichen, so ist der Fußball in den USA nur ein weiteres Freizeitangebot - mit einer natürlich gigantischen weltweiten Freizeit- und Unterhaltungsindustrie im Hintergrund.
Deutsche Klubs spielten auch mitDeutschland ist davon ein großer Teil. Die sportliche Relevanz kommt dem Land in der Mitte Europas immer mehr abhanden. So waren die Beiträge der beiden deutschen Vertreter zum Turnier auch zu vernachlässigen. Der FC Bayern und Borussia Dortmund scheiterten im Viertelfinale. Der Rekordmeister München verlor zudem mit Jamal Musiala einen Schlüsselspieler.
Die Verletzung des DFB-Stars gegen Paris Saint-Germain bleibt der einzig erinnerungswürdige Moment, ein besonders kostspieliger zudem. Der BVB war auch da und freute sich über mehr als zwei Millionen neue Follower, wie Sportdirektor Sebastian Kehl zwischendurch stolz in der "SZ" verkündete. Die Ansprüche an das Turnier waren nicht besonders hoch. Die Leistungen schwankend. Das Geld stimmte. Beide Teams nahmen rund 50 Millionen Dollar mit nach Hause. National ein weiterer Schritt, um die Verhältnisse in der Liga zu zementieren.
Wann findet die nächste Klub-WM statt?Das Turnier war ein weiterer Schritt in die Richtung des Endes der nationalen Ligen, wie wir sie kennen. Auch wenn die FIFA Ausgleichszahlungen an die nicht teilnehmenden Vereine und Ligen versprochen hat. Noch soll die nächste Klub-WM im Jahr 2029 ausgetragen werden. Es soll bereits zahlreiche Bewerber geben. Aber schon berichtet der britische "Independent" über Überlegungen zu einem neuartigen Kalender, der das Jahr in ein Drittel Liga, ein Drittel internationaler Wettbewerb und ein Drittel Länderspiele aufteilt.
Möglicherweise könnte die Klub-WM auch nur der erste Köder für eine echte globale Superliga sein, eine in der saudische Klub Al-Hilal sich Woche für Woche mit Klubs wie Real Madrid und Manchester City messen kann. Beiden Vereinen war es nicht gelungen, den ehemaligen Verein von Neymar zu besiegen. Und vielleicht findet das Turnier aufgrund des großen Erfolgs (außer in Europa!) bald auch alle zwei Jahre statt. Alles ist möglich.
Turnier interessiert in Deutschland nicht über GebührVieles bleibt in diesen Juli-Tagen im Jahr 2025 offen. Eins aber bleibt bestehen. Die an die Fans und Öffentlichkeit gerichteten Zurechtweisungen durch jene Funktionäre, die von dem System Klub-WM profitieren. Besonders tat sich BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hervor, der den Deutschen vorwarf, an dem "Katar-Syndrom" erkrankt zu sein. Alles sei fantastisch, besonders die Stimmung, nur in Deutschland sehe man das immer auch kritischer.
Da hatte Watzke sich jedoch getäuscht. Ein Teil hatte überhaupt nichts an dem Turnier auszusetzen, ein Teil hatte es schlicht ignoriert, weil es Sommer war, andere Turniere im Fernsehen liefen und weil manchmal einfach Pause ist. Sie straften das Turnier des Größenwahns mit ihrem Desinteresse ab. Die, die hinschauten, schauten wohl auch, weil sie immer hinschauen, wenn ihr Klub spielt oder irgendwo ein Ball rollt. Doch niemand kann es denen, die nicht hinschauten, verübeln. Auch das Finale elektrisiert die Massen in Deutschland nicht über Gebühr.
Donald Trump wird das Finale der Klub-WM schauen. Er hat "Soccer" schon immer geliebt. Während seiner ersten Amtszeit habe er sogar ein Tor im Garten des Weißen Hauses stehen gehabt, wusste Infantino im Trump Tower zu berichten. Europa sollte froh sein, dass dieser Fußball nun anderen gehört. Dieser in den vergangenen vier Wochen zur Schau gestellte Fußball ist das Gegenteil einer goldenen Ära, er ist skrupellos und dystopisch. Steht auch nicht jeder drauf.
Quelle: ntv.de
n-tv.de