KOMMENTAR - Ein bisschen Glück und viel Kalkül: Die Fussball-EM in der Schweiz ist ein Erfolg

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KOMMENTAR - Ein bisschen Glück und viel Kalkül: Die Fussball-EM in der Schweiz ist ein Erfolg

KOMMENTAR - Ein bisschen Glück und viel Kalkül: Die Fussball-EM in der Schweiz ist ein Erfolg
Zugänglich und ohne Allüren: Die walisische Spielerin Ffion Morgan macht nach dem Match gegen England ein Selfie mit Fans.

Gian Ehrenzeller / Keystone

Vor einem Jahr noch machte die Turnierdirektorin Doris Keller regelmässig Menschen darauf aufmerksam, dass bald die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz stattfinde. Das Turnier war im Vorfeld kein Selbstläufer. Weder im Verband, als es um die Kandidatur ging, noch in der Politik bei der Mittelbeschaffung, noch beim Publikum.

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Hätten die zögerlichen Parteien damals geahnt, wie erfolgreich das Turnier sein würde – die eine oder andere Entscheidung wäre schneller und mit weniger Gegenwehr gefallen. Knapp zwei Wochen nach dem Turnierstart befindet sich die Schweiz im EM-Flow. Und die gegenwärtige Begeisterungswelle überwältigt selbst jene, die von Beginn an fest an den Erfolg geglaubt hatten.

Das Turnier ist der wahr gewordene Traum all jener, die sich für Grossanlässe in der Schweiz einsetzen: ein Ereignis, das sich nicht auf den engen Rahmen eines Stadions beschränkt und sich nicht nur vor dem üblichen sportbegeisterten Publikum abspielt. Es schwappt über die Arenen hinaus, erfasst das Land und überwindet die Skepsis, die solche Anlässe oft reflexartig auslösen – sei es wegen der Kosten (Olympische Spiele), der Verkehrsbehinderungen (Rad-WM) oder sportlicher Vorurteile (Frauenfussball).

Die Fussball-EM hat in den ersten zwei Wochen ein so positives Grundgefühl kreiert, dass die Schweizerinnen und Schweizer ein Teil davon sein wollen. Negative Schlagzeilen blieben aus, das Turnier verläuft fast schon bilderbuchhaft. Das hat verschiedene Gründe.

«Oha, die füllen das Stadion»

Der europäische Fussballverband (Uefa), der das Turnier organisiert, strebte von Beginn weg ausverkaufte Stadien an. Um ein Statement zu setzen, auch für den TV-Zuschauer: «Oha, die füllen das Stadion», und so einen Hype auszulösen. Die Ticketpreise wurden entsprechend tief angesetzt, zwischen 25 und 90 Franken. Da das Parlament den Bundesbeitrag von ursprünglich 4 Millionen Franken auf 15 Millionen anhob, ist auch die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr inbegriffen; 5 dieser 15 Millionen sind dafür vorgesehen. Das ist gerade in der hochpreisigen Schweiz ein zusätzliches Argument für ausländische Besucher oder solche, die mit der ganzen Familie ein Spiel besuchen.

Das Publikum in den acht Schweizer Austragungsorten ist durchmischt, respektvoll und friedlich; das unterscheidet Frauen- von vielen Männerspielen. Das zeigen auch die Sicherheitsvorkehrungen bei den Stadien: Es gibt keine polizeilichen Abtrennungen zwischen den Fanlagern wie im Klubfussball, weil es nicht nötig ist. Teilweise legen die Anhänger gar die Märsche aus der Innenstadt zu den Stadien zusammen, so dass sie gemeinsam laufen, singen, feiern. Ausschreitungen oder randalierende Gruppen in Zügen gibt es keine.

Von Vorteil für die Aussenwirkung ist es auch, dass fast alle Delegationen in malerisch gelegenen Hotels an Seen untergebracht sind. Und die weltbesten Fussballerinnen gerne auch Bilder vom Wandern in den Bergen oder vom Baden vor schöner Kulisse in die Welt hinaustragen.

Dazu kommt, dass die Vorrundenspiele guten Fussball zeigten, wenn auch dort die übliche Bandbreite des Turnierfussballs von langweilig bis mitreissend zu sehen war. Nicht zuletzt half der Gesamt-Atmosphäre, dass die Schweizerinnen nicht nur den Viertelfinal erreichten, sondern vom ersten Spiel weg leidenschaftlich kämpften. Und neben dem Rasen die Herzen eroberten, indem sie keine Starallüren zeigten und Harmonie demonstrierten. Der Lohn: Im entscheidenden dritten Spiel gegen Finnland schalteten auf SRF zu Spitzenzeiten fast 900 000 Menschen ein. Das mehrheitlich gute Wetter half, dass zahlreiche Menschen die Spiele in den Fanzonen verfolgen. Die Intensität der Begeisterung überrascht viele.

Das gelungene Turnier hilft nicht nur dem Frauenfussball. Vielleicht profitieren sogar andere Pläne wie etwa das Olympiaprojekt 2038. Die Schweiz ist durchaus bereit, sich auf etwas einzulassen.

nzz.ch

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