Der SV Sandhausen steigt in die Regionalliga ab: Letzte Ausfahrt Sandhausen


Es ist ein sonniger Samstagmittag im Hardtwaldstadion. Vor 4.862 Zuschauern will der SV Sandhausen gegen den FC Hansa Rostock nochmal alles raushauen, um die letzte Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Doch es kommt anders.
Weil der VfB Stuttgart II im Parallelspiel gegen Alemannia Aachen gewinnt, ist es letztendlich egal, dass Hansas Jan Mejdr in der 87. Minute den Ball zum 0:3 einschiebt. Das Schicksal des SV Sandhausen ist da ohnehin schon besiegelt: der Abstieg aus dem Profifußball nach 17 Jahren. Dieses Szenario hatte sich die vergangenen Wochen bereits angebahnt. Seit dem 27. Spieltag standen die Sandhäuser auf einem Abstiegsplatz – dabei hatten sie 13 Spieltage zuvor noch mit einem berauschenden 4:0-Sieg gegen Alemannia Aachen die Tabellenspitze erklommen. Ein spektakulärer Absturz, der mit fehlender Kontinuität, Instabilität und Planlosigkeit zu erklären ist. Auf wie neben dem Platz.
Sechs Punkte aus den letzten 22 Spielen. Negativrekord. Der letzte Sieg? Ein 1:0 gegen die Arminia aus Bielefeld im Februar. Damals trennte den SV Sandhausen noch ein komfortables Polster von zehn Punkten von den Abstiegsplätzen. Doch in diesen Tagen läuft eine Mannschaft auf, die mit dem Tabellenführer vom 14. Spieltag nur noch entfernte Ähnlichkeit hat. In der Rückrunde ging es nur noch in eine Richtung: bergab.
Am 28. Spieltag wurden etwa gegen Waldhof Mannheim „Geschenke verteilt“, wie der mittlerweile entlassene Trainer Kenan Koçak in seiner zweiten Amtszeit beim SVS nach Schlusspfiff konstatierte. „Kapitale Böcke“ kosteten die Sandhäuser Punkte, Endstand: 2:3. Der katastrophale Fehlpass von Niklas Lang in der 32. Minute sowie das Missverständnis zwischen Keeper David Richter und Abwehrchef Edvinas Girdvainis etwa fünf Minuten später hatten nicht nur viel zu einfache Gegentore zur Folge, sondern ließen auch die Vermutung laut werden, dass dort keine gefestigte Mannschaft, sondern viel mehr ein wilder Haufen auf dem Platz stand. „Wenn man so verteidigt, kann man in der Liga keine Punkte holen“, lautete Koçaks Fazit. Er sollte Recht behalten. Sandhausen holte fortan tatsächlich keinen weiteren Zähler mehr.
Der bemühte Koçak trat wenige Wochen nach der desaströsen ersten Halbzeit bei Waldhof Mannheim zurück. Es folgte die branchenübliche Erklärung, Koçak wolle „den Weg frei machen für einen neuen Impuls“. Dabei hätte er doch eigentlich der neue Impulsgeber werden sollen. Doch mit den letzten Auftritte unter dem drauffolgenden Interims-Duo bestehend aus Gerhard Kleppinger, der bereits seit 2012 für den SVS tätig ist und schon zuvor etliche Male aushalf, und Ex-Kapitän Dennis Diekmeier verdiente sich der SV Sandhausen den Abstieg ein für alle mal.
Sowohl auf als auch neben dem Platz bekamen die Sandhäuser keine Ruhe rein. Gestartet war der Klub in die Saison noch mit Sreto Ristić, der zuvor den Halleschen FC trainiert hatte. 27 Punkte aus 19 Spielen sind in Anbetracht des Punkteschnitts seiner Nachfolger noch eine solide Ausbeute gewesen. Doch fünf Spiele ohne Sieg in Folge, darunter die kuriose 4:6-Pleite gegen Erzgebirge Aue, waren den Verantwortlichen dann doch zu viel. Ristić wurde noch kurz vor Weihnachten entlassen. Man sah die Mission Rückkehr in Liga 2 gefährdet, dabei verkannten die Klubbosse, dass die Realität längst eine andere war. Dass dem Verein ein viel größeres Übel als eine belanglose Mittelfeld-Platzierung in der Tabelle drohte, erkannte man viel zu spät. Schon in der vergangenen Saison wollte man den Aufstieg erzwingen, so musste erst Danny Galm gehen, welcher den Verein im Sommer 2023 nach dem Abstieg aus der 2. Liga übernommen hatte, und schließlich warf auch Jens Keller kurz vor Saisonende hin.
So sahen die Fans des SV Sandhausen innerhalb von kürzester Zeit vier Trainer kommen und wieder gehen. Die zuständigen Übungsleiter hingegen fanden jedes Mal einen Kader vor, der nach keinerlei Konzept zusammengestellt wurde. „Zu teuer, zu alt, zu langsam“, rügte Koçak die Kaderplanung. In der Tat: Sandhausen stellt mit einem Durchschnittsalter von 26,4 Jahren den zweitältesten Kader der Liga. Verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die die Taktik der Kurpfälzer in der zweiten Liga lange Jahre darin bestand, ein Karrieresprungbrett für junge Spieler zu sein. Nach dem Abstieg in die 3. Liga 2023 suchte der Klub erfolglos nach einer neuen sportlichen Identität.
Anstatt auf junge Spieler mit Entwicklungspotential zu setzen, holte der SVS nach dem Abstieg lieber Routiniers der Marke Rouwen Hennings oder Alexander Mühling. Ersterer hing eine Saison später die Fußballschuhe an den Nagel. Letzte Ausfahrt Sandhausen.
Dementsprechend sahen sich die Verantwortlichen vor dieser Saison gezwungen, personell nachzulegen. Doch keiner der Neuzugänge brachte die erhoffte Wende, allein im Winter legte der SVS sechsfach mit neuen Spielern nach. Die logische Konsequenz war eine zusammengewürfelte und konzeptlos geplante Mannschaft, deren „Gefüge nicht stimmte“, wie Präsident Machmeier in einem Interview mit RON vor ein paar Wochen selbst feststellte. Die von Verunsicherung geprägten Auftritte, wie etwa in Mannheim, waren die Quittung.
Während der SV aus Sandhausen in seiner Zweitliga-Zeit für viele Traditionsklubs die Verbildlichung ihres Niedergangs war („2. Liga? Na, dann viel Spaß in Sandhausen!“), haben sie nun ihren eigenen erlebt. War der SVS doch für Überraschungen wie den 1:5-Sieg in Hamburg gut und wurde zum Schauplatz der Beinahe-Rückkehr ins Oberhaus für den einstigen Bundesliga Dino, geht es nächste Saison nach Homburg und zur Zweitvertretung des SC Freiburg.
Beinahe ironisch liest sich das Banner, das vor der Kurve der Ultras im Spiel gegen Hansa Rostock platziert wurde. „Vereinsstrukturen professionalisieren“. Eine Rückbesinnung auf den sportlichen Ansatz der letzten Jahre hätte dafür vermutlich geholfen. Mit der Verpflichtung von Olaf Janßen als Cheftrainer für die kommende Saison möchte man diese nun angehen. Janßen ist seit 2021 beim FC Viktoria Köln tätig, hatte allerdings seinen Abschied aus der Domstadt bereits im Januar bekanntgegeben.
In den kommenden Monaten steht also die professionelle Neustrukturierung des sportlichen Bereichs im Mittelpunkt. Ziel ist eine passende Besetzung der Schlüsselpositionen, angefangen beim Cheftrainer-Posten, sowie eine strategisch auf die Regionalliga ausgerichtete Kaderplanung mit Fokus auf junge Talente. Diese sollen von Janßen entwickelt werden. Von einer engen Anbindung an den Hardtwald-Campus erhofft man sich eine klare regionale Identität, die sich auch in der Mannschaft widerspiegeln soll. Einen echten Neuanfang steht in Sandhausen bevor, wie von den Fans gefordert.
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