Der Schweizer Eishockeyverband hat einen neuen Präsidenten – mit Urs Kessler sitzt nun ein Touristikfachmann auf dem Schleudersitz


Wenn nicht mit ihm, mit wem dann? Das ist der allgemeine Tenor, der im Schweizer Eishockey nach der Wahl von Urs Kessler zum neuen Präsidenten von Swiss Ice Hockey vorherrscht. Der Berner Oberländer ist am Montag von der Delegiertenversammlung an die Spitze des Verbandes gehievt worden. Widerstand gab es keinen. Der Verband musste froh sein, überhaupt noch jemanden gefunden zu haben, der sich auf den Schleudersitz setzt.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Das Schweizer Eishockey zu führen, scheint so etwas wie eine Mission impossible zu sein. In den vergangenen Jahren versuchten sich mit Marc Furrer, Michael Rindlisbacher und Stefan Schärer drei Männer, die eines gemeinsam hatten: Man war froh, als sie wieder gingen. Gegen Schärer, der nur ein gutes Jahr auf dem Posten blieb, gab es am Ende eine Art Palastrevolution, die vom Nationaltrainer Patrick Fischer orchestriert wurde.
Schärer stiess auf erbitterten WiderstandDer ehemalige Spitzenhandballer Schärer traf den Ton nicht, er stiess von Beginn weg auf erbitterten Widerstand. Doch das Scheitern war nicht allein seine Schuld. Das Schweizer Eishockey ist seit der Loslösung der starken National League vom Verband eine schwer zu führende Familie geworden. Es geht wie meist bei solchen Streitereien um Macht und Geld.
Weshalb aber setzt sich Kessler nun auf diesen Schleudersitz? Seine Antwort ist kurz und einfach: «Ich mag Herausforderungen.» Im Juni war der 63-jährige Kessler als Chef der Jungfrau-Bahnen zurückgetreten – nach 38 Jahren im Unternehmen, davon 17 als CEO. Unter ihm ist die Region zu einer der modernsten Wintersport-Destinationen der Schweiz geworden. Kesslers Prestigeprojekte waren das sogenannte Terminal in Grindelwald sowie die V-Bahn, die 510 Millionen kostete und die Region für die Touristen zugänglich gemacht und den asiatischen Markt erschlossen hat.
Der zweifache Familienvater ist im kleinen Dorf Gsteigwiler in der Nähe des touristischen Hotspots Interlaken aufgewachsen. Natürlich hörte er von den Machtkämpfen, die im Schweizer Eishockey toben. Genau diese Spannungen aber reizen ihn an der Aufgabe. «Man hat mich davor gewarnt, diesen Posten zu übernehmen. Zugleich habe ich eine Passion für den Sport und speziell für das Eishockey», sagt Kessler.
Zuspruch von Nino NiederreiterSein Programm für Swiss Ice Hockey umfasst zehn Punkte, auf die er aber erst im Detail eingehen will, sobald sein neues Team informiert ist. Wichtiger als Strategien aber sei es, die Interessen wieder zu bündeln. «Der Verband muss sich bemühen, seine Akzeptanz bei den Klubs zurückzugewinnen. Mehrere Spieler, aktive und nicht mehr aktive, haben den Kontakt zu mir gesucht und mich gebeten, mich der Aufgabe zu stellen.»
Unter jenen, die Kessler persönlich kontaktiert haben, war unter anderem der Churer NHL-Spieler Nino Niederreiter. Der Stürmer der Winnipeg Jets hat seine Sorge um die Zukunft des Schweizer Eishockeys bereits mehrmals öffentlich geäussert. Kessler sagt: «Der Nachwuchs ist das Fundament der ganzen Sportart. Es bringt nichts, von neuen Eishallen zu träumen. Wir müssen die bestehenden möglichst effizient nutzen.» Es gehe ihm auch darum, den Eishockeysport im Konkurrenzkampf gegen den Fussball, aber auch das Unihockey richtig zu positionieren.
Sein erstes grösseres Projekt als Präsident von Swiss Ice Hockey aber wird die Heim-WM in Zürich und Freiburg im kommenden Frühjahr. Es wäre dringend nötig, dass im Hinblick auf diesen Grossanlass endlich wieder Ruhe einkehrt im Schweizer Eishockey. Wer weiss, vielleicht schafft Urs Kessler dieses Kunststück.
nzz.ch