Risiko im Cockpit: Betrunkene Piloten an Bord

Cockpit Foto: iStock/ViktorCapa
Die Zahl der alkoholisierten Piloten ist offiziell gering, die Dunkelziffer vermutlich höher. Denn mit den wachsenden die Arbeitsanforderungen steigt auch das Stresslevel – und damit eine andere Gefahr.
Businessinsider.com meldet, dass sich ein Pilot der Japan Airlines (JAL) krank melden musste wegen einer Alkoholsause am Vortag. Der Schaden: drei gestrichene Flüge von Hawaii nach Japan und bis zu 18 Stunden Verspätung für über 600 Passagiere. JAL scheint jedoch größere Probleme mit alkoholisierten Flugzeugführern zu haben. Seit April 2024 zog die Airline drei trinkfreudige Piloten aus dem Verkehr. Soweit zu Japan.
Auch die britische Budget-Airline Easyjet musste vor Kurzem einen Herren von seinen Cockpit-Pflichten freistellen. Wie der Guardian berichtet war der Mann angetrunken am Vorabend seines Dienstes nackt in einem Fünf-Sterne-Hotel auf den Kapverden herumgetorkelt. Und im Sommer hatte sich ein Delta-Pilot in Kopenhagen mit den unterschiedlich zulässigen Alkoholmengen im Blut in Europa und den USA vertan. Er blieb erst mal am Boden.
Wenn auch nur ein Betrunkener einen Fehler machtEs genügen nur wenige Vorfälle mit betrunkenen Piloten, um die Frage nach der Flugsicherheit zu stellen. Zugleich gibt es keine weltweit gültige Statistik zu diesem Thema. Doch es scheinen extrem wenig Vorfälle zu sein, wenn man in Betracht zieht, dass es weltweit rund 300 000 Piloten gibt, die in der Zivilluftfahrt tätig sind. Laut einer Statistik US-Flugaufsicht FAA wurden zwischen 2010 und 2018 bei nahezu 117 000 US-Piloten, die auf Alkohol getestet wurden, nur 99 mit einem Alkoholgehalt über dem zulässigen Grenzwert von 0,4 Promille festgestellt. Die Behörde verlangt, dass Piloten zwischen dem Konsum eines alkoholischen Getränks und Dienstantritt mindestens acht Stunden warten. Allerdings weiß natürlich keiner, wie viele angesäuselte Flugzeugführer nicht kontrolliert wurden. Es genügt schließlich nur eine Person, die wegen zu viel Alkohol im Blut einen Fehler macht.
Unangekündigte Alkoholkontrollen und steigender DruckIn der Bundesrepublik führt das Luftfahrtbundesamt (LBA) die Alkoholtests durch. Erlaubt sind 0,2 Promille. Die Atemalkohol- und/oder Speichel-Drogentests sollen dabei so geplant werden, „dass deren Durchführung für die beim jeweiligen Unternehmen beschäftigten Besatzungen nicht vorhersehbar sind“, schreibt das Bundesamt. „Damit soll vor allem eine abschreckende und damit vorbeugende Wirkung erzielt werden.“
Doch die „abschreckende Wirkung“ dürfte ausgerechnet ein Grund sein, warum es keine genauen Zahlen gibt. Wer zu viel Alkohol im Blut hat, dem drohen Freistellung, Nachforschungen und schlimmstenfalls der Entzug der Pilotenlizenz. So geht aus einer anonymen Umfrage unter 1220 Piloten aus Frankreich hervor, dass mehr als ein Drittel (40,1 Prozent) Alkoholmissbrauch aufwiesen. Die Studie war unternommen worden, um mehr über die mentale Fitness und Depressionen in diesem Berufsstand herauszufinden. Besorgniserregend war deshalb auch, dass 28,3 Prozent der Befragten gegenüber Flugmedizinern nichts von ihren Problemen erwähnten aus Angst, ihre Flugerlaubnis zu verlieren.
Erschöpfung als GefahrUnd das ausgerechnet in Zeiten des Pilotenmangels, der die Arbeitszeiten der fliegenden Kollegen bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit treibt. Hinzu kommen berufsbedingte Nachteile wie Jetlag, unregelmäßige Arbeitszeiten, ständig wechselnde Unterkünfte und Klimazonen sowie kurze Ruhezeiten. Das führt zu einem Problem, dass mindestens so gefährlich wie Alkoholkonsum ist, aber schlecht zu testen ist: permanente Erschöpfung. So hat eine Umfrage der European Cockpit Association (ECA) unter 6000 Piloten ergeben, dass über 50 Prozent der Befragten während eines Flugs schon einmal unabsichtlich eingeschlafen sind.
(thy)
Das könnte Sie auch noch interessieren:Streiks: Pilotenstreik bei Lufthansa möglich
Flugrisiko Pilotenmangel: Falsche Gesundheitsangaben und Sekundenschlaf
Prekäre US-Flugsicherheit: Fluglotsen gesucht in Zeiten von Trump
businesstraveller