Verfassungsschutz mal wieder blamiert

Das Hin und Her um die Einstufung der AfD als rechtsextremistische Partei könnte man mit dem kurzen Satz quittieren: Der Rechtsstaat funktioniert. Punkt.
Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistisch ein, die geschäftsführende Innenministerin macht dies in ihrer letzten Woche im Amt öffentlich, die AfD wehrt sich dagegen juristisch und ein Verwaltungsgericht tritt sachte auf die Bremse. Der Verfassungsschutz bleibt bei seiner Einschätzung, verpflichtet sich aber vorläufig, die AfD wieder zum „Verdachtsfall“ zurückzustufen, bis das Gericht entschieden hat. Also scheinen ja alle hübsch aufeinander aufzupassen.
Ganz so einfach ist es nicht. Politisch steht der Verfassungsschutz vor einem Scherbenhaufen. Wieder einmal. Durch die eilige Mitteilung von diesem Donnerstag weht ein Hauch von NPD-Verbotsverfahren. Das war die unselige Zeit, in der der Verfassungsschutz stümperhaft den Versuch unternahm, die rechtsextreme Partei zu verbieten.
Nun gibt es ein unveröffentlichtes Gutachten, das die AfD als rechtsextremistisch bewertet. Wahrscheinlich ist die fachliche Einordnung korrekt. Und wahrscheinlich liegt der Verfassungsschutz völlig richtig, dass diese Partei der freiheitlichen Grundordnung gefährlich werden kann - ähnlich wie gerade Donald Trump mit seiner Administration Medien, Justiz und Wirtschaft in den USA demontiert und jenseits aller rechtsstaatlichen Regeln Migrationspolitik betreibt.

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Diese Analyse darf aber nicht außer Acht lassen, dass die AfD in den Umfragen aktuell mit der Union gleichauf liegt, teilweise sogar als stärkste Partei ausgewiesen wird. Das macht das notwendige Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die AfD so schwierig. Es reicht eben nicht, etliche Zitate, Fakten und Verdachtsmomente gegen die mutmaßlich rechtsextremistische Partei zu sammeln. Jeder Schritt, den die Schützer der freiheitlichen Grundordnung gegen deren Feinde unternehmen, muss wasserdicht sein. Ansonsten hilft er denen, die beim Verfassungsschutz unter Beobachtung stehen.
Der aktuell angerichtete Schaden besteht vor allem in der öffentlichen Kommunikation. Natürlich hat es eine enorme Wucht, wenn eine Partei, die in den Umfragen bei 26 Prozent steht, als rechtsextremistisch eingestuft wird. Es war nicht klug, dass die frühere SPD-Innenministerin Nancy Faeser das Ergebnis des Gutachtens auf den letzten Zentimetern ihrer Amtszeit öffentlich gemacht hat. Den Umgang damit hätte sie besser ihrem Nachfolger überlassen.
Politisch droht das Gutachten nun zum Bumerang zu werden. Sachlich ändert die Zusage des Verfassungsschutzes, wonach die AfD bundesweit vorläufig wieder als Verdachtsfall geführt wird, nichts an dessen inhaltlicher Einschätzung. Die Rückstufung kann auch nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Einschätzung „rechtsextremistisch“ rechtlich unzulässig wäre. Darüber entscheidet nun ein Gericht. In der öffentlichen Wahrnehmung aber hilft das Hin und Her der AfD, weil sie sich erneut in der Opferrolle präsentieren kann.
Allein mit rechtsstaatlichen oder juristischen Mitteln wird man die Gefahr, die von der AfD ausgeht, ohnehin nicht entschärfen können. Der Aufstieg und die Radikalisierung dieser Partei läuft viel schneller, als die Mühlen der wehrhaften Demokratie mahlen. Zum Glück ist bei den staatstragenden Parteien inzwischen die Erkenntnis da, dass man die politischen Ränder nur durch solides Regierungshandwerk eindämmen kann. Die neue Regierung hat keine Schonfrist: In 100 Tagen müssen die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass Wirtschaftswachstum, Entbürokratisierung, Steuerung der Migration und Digitalisierung vorankommen.
rnd