Neuer Papst Leo XIV.: Der Anti-Trump im Vatikan?

Die Sonne war gerade hinter dem Petersdom untergegangen, als Kardinalprotodiakon Dominique Mamberti auf den zentralen Balkon der Basilika trat, um den ersehnten, berühmten Satz aufzusagen: „Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus Papam!“ Zu deutsch: Ich verkünde euch große Freude: Wir haben einen Papst! Um dann den mit noch größerer Spannung erwarteten Namen des neuen Papstes zu verraten: Robert Francis Prevost. Nach der Nennung des Namens durch den französischen Kardinal ging ein Raunen über den mit mindestens 100.000 Menschen voll besetzten Petersplatz.
Kurz darauf trat der 69-Jährige auf die Loggia, sichtlich bewegt und etwas verlegen lächelnd. Seine ersten Worte: „Friede sei mit euch. Ein unbewaffneter Friede, ein demütiger Friede. Gott liebt euch alle, bedingungslos.“
Die Wahl des US-Kardinals Prevost darf durchaus als Paukenschlag bezeichnet werden. Erstmals in der 2000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche stellen die USA den Papst – und das ausgerechnet während der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump in Washington.
Dass die Wahl bereits im vierten Wahlgang erfolgte, wurde von Vatikanexperten noch am gleichen Abend als Überraschung eingestuft: Angesichts des Umstands, dass ein Konklave noch nie so viele Teilnehmer hatte – es waren 133 – und noch nie so international gewesen war, hatte man mit einem längeren Konklave gerechnet. Nun ist Leo XIV. einer der am schnellsten gewählten Päpste der Neuzeit.
Der 69-Jährige wurde geboren in Chicago und gehört dem Augustinerorden an.
Quelle: Reuters
Prevost ist 69 Jahre alt und war bisher Präfekt der Vatikanbehörde für Bischöfe. Damit ist wieder einmal ein Kurienkardinal zum Papst gewählt worden. Der in Chicago geborene neue Papst hat gleich mit den ersten Worten in der Loggia des Petersdom Zweifel und Bedenken bezüglich einer etwaigen Nähe zum US-Präsidenten zu zerstreuen versucht und stellte sich ausdrücklich in Kontinuität mit seinem am Ostermontag verstorbenen Vorgänger Franziskus. In perfektem Italienisch - einschließlich der Konjunktive - erklärte er: „Wir haben noch die schwache, aber mutige Stimme von Papst Franziskus in den Ohren, der an Ostern Rom und die ganze Welt segnete“, erklärte der Prevost, bevor er dasselbe tat und erstmals als Papst den Segen Urbi et Orbi spendete. Die Welt benötige Brückenbauer, sage er, und die Kirche müsse auf dem Weg der Synodalität vorangehen. Also auf dem Weg von Franziskus. Unter dem Applaus der Gläubigen dankte er anschließend seinem Vorgänger: „Grazie Francesco!“
Der neue Papst ist Mitglied des Augustinerordens und gilt als diplomatisch und pragmatisch, er ist geschätzt sowohl bei progressiven wie konservativen Kirchenvertretern. In den USA pflegt er enge Beziehungen zum Erzbischof seiner Geburtsstadt Chicago, Blaise Cupich. Dieser wiederum gilt innerhalb der US-Kirche als einer der härtesten und profiliertesten Kritiker von US-Präsident Trump und insbesondere von dessen Migrationspolitik.

30.09.2023: Der gewählte Kardinal Robert Francis Prevost (rechts), erhält seine Biretta von Papst Franziskus, während er auf dem Petersplatz im Vatikan erhoben wird.
Quelle: Riccardo De Luca/AP/dpa
Den Augustinern war Prevost 1977 beigetreten und wurde zum Studium des Kirchenrechts nach Rom geschickt. Anschließend entsandte ihn sein Orden als Missionar nach Peru, wo er später das Bistum Chiclayo leitete. In Peru lernte er Gustavo Gutierrez, einen der Begründer Befreiungstheologie, kennen und schätzen. „Er war immer sehr zuverlässig, ausgestattet mit einem feinen Sinn für Humor, und er hat die Gabe, den Menschen nahe zu sein“, sagte Gutierrez kurz vor seinem Tod der italienischen Zeitung „La Repubblica“. 2002 wählte der Augustinerorden Prevost zu seinem weltweiten Leiter.
Als Präfekt der Bischofskongregation lebt der 69-jährige neue Papst seit zwei Jahren in unmittelbarer Nähe des Vatikans in einem Haus seines Ordens. Sein Kurienamt dürfte ihm im Konklave geholfen haben: Weil Prevost sämtliche neuen Bischöfe der letzten zweieinhalb Jahre für Franziskus selektioniert hatte und mit den Bischofskonferenzen der ganzen Welt in Kontakt stand, war er für viele Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle ein bekanntes, vielleicht sogar vertrautes Gesicht.
Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail, hat ihm sicher auch nicht geschadet: Prevost beherrscht sechs Sprachen.
Der weiße Rauch war um 18.07 über der Sixtinischen Kapelle aufgestiegen – zu einem Zeitpunkt, als viele der zu diesem Zeitpunkt rund 40.000 Gläubigen und Schaulustigen auf dem Petersplatz schon dachten, dass auch im vierten Wahlgang keiner der Kandidaten die erforderliche Zweidrittelmehrheit erzielt habe. Gleich nach den Rauchzeichen ertönten die Glocken von St. Peter zum Festgeläut. Auf der Piazza brandete Jubel auf, Leute fielen sich in die Arme, es wurden Selfies angefertigt, und kurz darauf fuhren in ganz Rom auch hupende Autokolonnen durch die Straßen.
Nach dem weißen Rauch strömten aus allen Gassen weitere Menschen auf den Platz und in die Via Conciliazione – es schien, als wolle ganz Rom dabei sein, wenn auf der Loggia des Petersdoms das „Habemus Papam“ verkündet wird. Der Papst ist ja auch Bischof von Rom – die Bewohner Ewigen Stadt betrachten ihn immer auch ein wenig als einen der ihren.
Mit der Annahme seiner Wahl noch in der Sixtinischen Kapelle ist der neue Papst Leo XIV. im Vollbesitz seiner Amtsbefugnisse. Als nächste Etappe folgt in einigen Tagen die Inaugurationsmesse auf dem Petersplatz, zu der wie beim Trauergottesdienst für Franziskus wieder zahlreiche gekrönte Häupter, Staatspräsidenten und Regierungschefs sowie mindestens eine Viertelmillion Gläubige erwartet werden.
Gespannt warten die Römerinnen und Römer nun auch darauf, ob Leo XIV. wieder wie – außer Franziskus – alle Päpste vor ihm den Apostolischen Palast als Wohnsitz auswählen wird. Auf der Loggia deutete er am Abend bereits an, dass er, wenn nicht bei seinem Kurs, aber doch bezüglich des Stils wieder etwas barocker auftreten will als sein Vorgänger: Er trat in vollem Ornat auf den Balkon, während es Franziskus beim weißen Talar hatte bewenden lassen.
rnd