Haben & Sein: Und ewig lockt La Schiffer

Das Jahr 1989, wir erinnern uns: George Bush wurde als 41. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt, der FC Bayern München sicherte sich die Deutsche Meisterschaft mit fünf Punkten Vorsprung vor dem 1. FC Köln, die Berliner Mauer fiel, und eine blonde Deutsche, die exakt genauso aussah wie die junge Brigitte Bardot, startete mit einer Guess-Kampagne ihre raketensteile Karriere. Tempi passati, könnte man jetzt sagen – in den USA regiert Präsident Nr. 47 das Land beherzt in eine Diktatur hinein, der 1. FC Köln ist zumindest bis Ende der Saison noch zweitklassig und die Bundesrepublik Deutschland geteilter denn je, wenn man auf die Wahlergebnisse im hellblauen Farbspektrum blickt.
Claudia Schiffer aber, damals zunächst als neues deutsches „Frolleinwunder“ tituliert (nun ja, die späten Achtziger) und von ihrem Förderer Karl Lagerfeld alsbald zur „Cloodia“ umbenannt: Sie ist immer noch da. Seltener als früher zwar, aber wenn man die blonde Wallemähne und den hartnäckig aufgeworfenen Schmollmund betrachtet, ist seit Frühjahr/Sommer 1989 wirklich keine Minute vergangen.
Ihr aktueller Auftritt in der neuen Kampagne von Chloé ist sicher nicht ganz zufällig. Entworfen wird die Kollektion, Inbegriff des französischen Je-ne-sais-quoi, seit drei Saisons schließlich von einer Deutschen, der ebenfalls in Nordrhein-Westfalen aufgewachsenen Chemena Kamali. Nun aber Flashback: Cloodia im nudefarbenen Body, auf einer schmiedeeisernen Strandliege fläzend, ganze Ananas in der Hand. Cloodia in weißem Top und Jeans in der Hängematte oder romantisch-sexy (breitbeinig) über eine Stuhllehne arrangiert. Fotografiert von David Sims. Laut Pressemitteilung lieferte die sonnengesättigte südfranzösische Ästhetik der Filme von Eric Rohmer die Vorlage. „Chloé à la Plage“ ist bis zum Ende des Sommers in ausgewählten Boutiquen in Saint-Tropez, Capri und Monte-Carlo erhältlich.

Mohnrot, knallige Farbverläufe von Violett zu Stahlblau, Lackstiefel in Orange: Irgendwie befreiend, wie klar die Designerin Roksanda Ilinčić in ihren aktuellen Entwürfen Farbe bekennt, wo man sich ja sonst dieses Frühjahr gerne in eine Wolke defensiv molliger Pastelltöne zurückzieht. Auch bei ihrer Zusammenarbeit mit &Other Stories bleibt die gebürtige Serbin, die ihr Label vor gut 20 Jahren in London gegründet hat, ihrem Look treu. Nicht nur, was die Farbtöne angeht, sondern auch mit den immer leicht statuarischen Silhouetten, die bei ihr aber feminin wirken.
Die kleine Kollektion umfasst einen voluminös ausgestellten Rock in Sonnenblumengelb, große Rüschen und einen theatralischen Hut mit Sichtschutz genauso wie sanft fallende Kleider und Tops im One-Shoulder-Schnitt mit fast romantischen Schleifenbändern. In England wurden die Stücke schon vorab zur idealen Garderobe für die wedding season erklärt, wobei man die Braut bekanntlich nie modisch in den Schatten stellen sollte. Aber vielleicht kommt sie ja auch in starken Farben (erhältlich ab 15. Mai).

In den vergangenen Wochen wurde von den Feuilletons der 100. Geburtstag von „Der große Gatsby“ gefeiert. Der Weltbestseller von F. Scott Fitzgerald, der Anfang April 1925 erschien, erzählt vom unglücklichen Leben des geheimnisvollen Millionärs Jay Gatsby auf Long Island. Nicht zuletzt die Schilderung der ausschweifenden Partys und stilistischen Extravaganzen machen den Roman bis heute zu einem gern gelesenen Werk.
Die Ästhetik und den Glamour der Roaring Twenties verkörpert auch der „House of Gatsby“-Gin, der aber erst seit Kurzem auf dem Markt ist. Nicht ganz einfach zu beziehen und mit einer zwar ausschweifenden, aber auch undurchsichtigen Homepage verschleiert der Gatsby-Gin seine Herkunft ähnlich wie Jay Gatsby – erst im Impressum erfährt man, dass er aus Hamburg kommt. Neben relativ gängigen Zitrus-Botanicals verleiht dem Gatsby-Gin eine Essenz von Marc de Champagne eine besondere Geschmacksnote – und soll ihn zum perfekten Schnaps bei Champagneranlässen machen.
Im Gin-Tasting der Zeitschrift GQ Anfang des Jahres wurde das Destillat immerhin schon zum Testsieger gekürt. Die schwere Art-déco-Flasche und das elegante Etikett sind jedenfalls schon eine ästhetische Bereicherung und bringen einen Hauch der Gatsby-Welt in die Hausbar. Ein Rum und ein Absinth sind angeblich auch noch in Planung.

Viele Hotels haben mittlerweile ein „Signature Parfum“, das – mal mehr, mal weniger penetrant – durch Lobby und sämtliche Zimmer wabert. Idealerweise kaufen es die Gäste im Anschluss an ihren Aufenthalt, damit sie sich an denselben immer wieder erinnern. Suite 909, Blue Piscine oder Chambre Secrète sind irgendwie auch Hoteldüfte, allerdings von einem Haus, das nur in der Fantasie von Francesco Ragazzi existiert. Der Gründer des erfolgreichen Labels Palm Angels verkaufte seine Marke Anfang des Jahres und ist jetzt mit Pietro Ruffini, (Sohn von Moncler-Gründer Remo Ruffini) und dem ehemaligen Markenchef des Hôtel Costes, Frédérique Obin, in die boomende Nischenparfümerie eingestiegen.
„Réservation Parfums“ ist ein aufwendig inszeniertes Konzept rund um ein mythisches Hotel in Kalifornien (think: Chateau Marmont …), und mit jedem der aktuell sieben Düfte checkt man gewissermaßen dort ein. Stammgäste bevorzugen den Klassiker Suite 909, wer am liebsten am Pool abhängt, wählt das frische Blue Piscine, zu denen, die wilde Partys auf ihrem Zimmer feiern, soll am besten Late Night passen. Parfums, die Geschichten erzählen, sind nichts Neues. Dass aber die ganze Marke mit Zimmerschlüsseln, Rezeptionsglocke, zerwühlten Laken und Bildern von Hotelpools aufwendiges Storytelling – Lieblingswort der Marketingwelt – betreibt, schon eher. Der Preis für ein Probeset kostet entsprechend so viel wie eine Luxussuite: 390 Euro.
süeddeutsche