Trend: Ist E-Biking wirklich ein richtiger Sport?

Michèl Gleich: Ja, denn grundsätzlich zählt jegliche Art von Bewegung als Sport. Gezielte körperliche Betätigung ist stets gut für Geist und Körper. Abhängig vom Alter, Leistungslevel und den sportlichen Ambitionen kann regelmäßiger Sport und kontinuierliches Training daher viele Formen annehmen. Es müssen dabei nicht immer nach dem Motto „höher, schneller und weiter“ Rekorde erzielt werden. Es gibt so viele tolle Varianten aktiv zu sein: Wie etwa Spazieren gehen, Schwimmen, auf Bäume klettern, mit den Kindern auf dem Klettergerüst turnen und eben auch E-Biking. Um nur einige zu nennen. Hauptsache ist, du hast Spaß dabei und tust dir selbst und deiner Gesundheit etwas Gutes.
Frage: Kann ich durch E-Bikes meine körperliche Fitness steigern?Michèl Gleich: Ich mache kein Geheimnis daraus, dass das traditionelle Radfahren die körperliche Fitness natürlich deutlich mehr steigert, da sowohl das kardiovaskuläre System als auch der gezielte Einsatz verschiedener Muskelgruppen anspruchsvoller ist. In der Konsequenz eines korrekt justierten Trainings können hier auch größere Leistungsentwicklungen erwartet werden. Dennoch kannst du auch durch E-Bikes deine körperliche Fitness in bestimmten Bereichen verbessern. So ist es bei allen elektrischen Modellen möglich, die unterstützende Leistung des Motors zu verringern oder gar auszuschalten.
Es besteht daher die Möglichkeit – vor allem für Sportanfänger oder Menschen, die sich anfangs auf dem Zweirad unsicher fühlen – sich an die Belastung zu gewöhnen und sich schrittweise zu verbessern. Zudem finde ich E-Bikes eine gute Möglichkeit für Fahrradanfänger und nicht so leistungsfähige Sportler, Regionen mit dem Rad zu erschließen, die vielleicht mit einem traditionellen (Renn-)Rad nicht erreichbar gewesen wären. Ich bin der Überzeugung, dass es aus Respekt zur Natur, das Zweirad zu nutzen – egal ob elektrisch oder mit Muskelkraft – als das Auto.
Im Rahmen meiner letzten Tour am vergangenen Wochenende habe ich in neun Stunden die Strecke von Berlin auf den Brocken mit meinem Rennrad zurückgelegt. Die Gesamtstrecke von mehr als 260 Kilometern ist schon eine Herausforderung, die dann noch durch die letzte Steigung am Berg im Harz erhöht wird. Auch hier wurde ich auf der Brockenstraße von dem ein oder anderen E-Biker überholt.
Dies war für mich aber völlig in Ordnung, da es sowohl für mich als auch sicherlich für den Radfahrer mit elektrischer Unterstützung um jeweils ganz persönliche, individuelle, sportliche Ziele ging - egal wo er auch gestartet ist und wie viele Kilometer er bereits zurückgelegt hatte. Am Ende waren wir beide stolz und glücklich auf dem Gipfel zu stehen. Darauf kommt es doch an.
Im Rahmen meiner Trainingseinheiten mit meinen Sportlern zähle ich zur körperlichen Fitness nicht nur die muskuläre Leistung sondern auch die mentalen Fähigkeiten. Auch hier kann dich das E-Biking unterstützen, denn es ist nicht zu vernachlässigen, welche mentalen Anforderungen an dich und dein Rad gestellt werden, sofern du beispielsweise eine kurvige Strecke in einem hügeligem Wald zurücklegen möchtest. Konzentration, Stabilisierung, Antizipation und möglicherweise schnelle Entscheidungen treffen sind hier gefordert und notwendig.
Michèl Gleich: Ich sehe wie bereits angemerkt klare Vorteile beim E-Biking für Sportanfänger und Menschen, die aufgrund des Fitness- und Gesundheitszustandes längere Strecken mit einem traditionellen Fahrrad nicht mehr zurücklegen können. E-Biking stellt hier eine wunderbare Möglichkeit dar, die Natur und auch die eigenen Potenziale zu erkunden. Zudem hilft jedes Fahrrad mehr auf den Straßen der Natur und dem Klima.
Sofern du etwa bei bereits mittelschwerer Belastung in Herzfrequenzregionen vorstößt, die dir eine längere Trainingseinheit unmöglich machen, ist die Nutzung der elektrischen Unterstützung eine gute Möglichkeit, den Belastungspuls auf einem vertretbaren Niveau zu halten.
E-Bikes wiegen oft mehr aufgrund der zusätzlichen elektronischen Geräte und des Motors, dies sollte beim Kauf und beim späteren Gebrauch definitiv berücksichtigt werden. Neuere Modelle sind aber hier im Vergleich zu den Anfängen des E-Biking bereits stark verbessert. Des Weiteren ist ein E-Bike – je nach Ausstattung – oft teurer als ein vergleichbares Modell ohne elektrische Unterstützung.
Natürlich ist das regelmäßige Aufladen des Akkus auch ein Kostenfaktor, der zu berücksichtigen ist. Aber im Vergleich mit der Nutzung und etwaigen Reparaturkosten eines Fahrzeugs bist du mit einem E-Bike langfristig besser aufgestellt.
Frage: Wie können E-Bikes bei der Rehabilitation helfen?Michèl Gleich: In der Tat können E-Bikes auch bei der Rekonvaleszenz – also der wichtigen Zeit nach einer Erkrankung oder Verletzung unterstützen. In Abstimmung mit deinem behandelnden Arzt und der Form der Beeinträchtigung ist das elektrische Fahrrad eine wundervolle Möglichkeit, wieder in Bewegung zu kommen, sofern anfangs etwa die Muskelkraft für das „normale“ Fahrrad nicht ausreicht.
Im Rahmen meiner Betreuung von Olympiasiegern, Weltmeistern und auch Hobbysportlern rate ich allen, sofern eine muskuläre Belastung medizinisch und physiologisch wieder möglich ist, sich zu bewegen. Egal in welcher Form. Das ist entscheidend für den Muskelaufbau aber ebenso unverzichtbar für die oft schwierige mentale Phase nach einer Verletzung. Ziel ist es, sowohl körperliches als auch mentales Selbstbewusstsein wieder aufzubauen in jeglicher Form und Beanspruchung. E-Biking kann hier ein wichtiger, erster Schritt sein.
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