Rezeptänderung in den USA? Wie der Maissirup in die Cola kam

Wenn Donald Trump besonders große Ankündigungen macht, dann ist das grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Immer wieder wirft der US-Präsident Nebelkerzen, wenn er oder seine Politik in der Kritik stehen. Aktuell kämpft Trump darum, die Kontroverse um die Epstein-Akten aus dem Weg zu räumen, wegen der selbst sein eigenes Lager auf die Barrikaden geht. Trumps jüngste Idee könnte also darauf abzielen, die eigene Anhängerschaft zu besänftigen.
Interessant ist sein aktuellster Vorstoß aber dennoch. Er betrifft nämlich eines der beliebtesten Getränke der USA, vielleicht sogar der Welt. Konkret: die Coca-Cola. Geht es nach Trump, dann soll die Rezeptur des traditionsreichen Softdrinks in den USA bald verbessert werden.
Knackpunkt ist der sogenannte High-Fructose Corn Syrup (HFCS), hierzulande auch Isoglukose (oder umgangssprachlich: Maissirup) genannt. Dieser steckt seit vielen Jahrzehnten in nahezu allen in den USA verkauften Softdrinks – während in Europa in der Regel aus Zuckerrüben gewonnener Zucker verwendet wird. Nun könnte die Rezeptur zumindest für Coca-Cola verändert werden – und das erstmals seit den Achtzigerjahren.
Trump erklärte auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social, er habe mit dem Coca-Cola-Konzern über die Änderung gesprochen – „und sie haben zugestimmt“. Und weiter: „Das wird ein sehr guter Schachzug von ihnen sein – Sie werden sehen. Es ist einfach besser!“
Zuvor hatte Trumps Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen des Inhaltsstoffs geäußert. Auch Gesundheitsfachleute machen den in Softdrinks enthaltenen Maissirup immer wieder für die hohe Zahl der Adipositaserkrankungen in den USA verantwortlich.
Coca-Cola selbst äußerte sich zunächst verhalten und trat dann deutlich auf die Bremse. In einer Stellungnahme verteidigte das Unternehmen den Einsatz des Sirups in seinen Getränken. „Er ist unbedenklich; er hat pro Portion etwa die gleiche Kalorienzahl wie Haushaltszucker und wird vom Körper ähnlich verstoffwechselt“, heißt es in dem Schreiben.
Die Debatte rund um den sogenannten High-Fructose Corn Syrup wird in den USA schon seit Jahren leidenschaftlich geführt. Bei dem Süßungsstoff handelt es sich um eine Mischung aus Wasser, Glukose und Fruktose, die aus Maisstärke hergestellt wird. Von der Zusammensetzung unterscheidet sich das Süßungsmittel vom herkömmlichen Haushaltszucker, der aus Zuckerrohr oder Zuckerrübe gewonnen wird.
Isoglukose besteht zwar wie auch Haushaltszucker aus Fruktose und Glukose – allerdings nicht im festen Verhältnis 1:1, sondern variabel. Der Anteil von Fruktose kann im Maissirup theoretisch 90 Prozent betragen – und gerade die Fruktose steht im Verdacht, Adipositas, Leberverfettung, Bluthochdruck, Diabetes und Gicht zu begünstigen.
Abgesehen von gesundheitlichen Bedenken wird aber auch immer wieder debattiert, ob die veränderte Rezeptur den Geschmack beeinträchtigt. In den sozialen Medien finden sich hunderte Videos von US-Amerikanern, die die Grenze zu Mexiko überqueren, um dort die angeblich „echte“ Cola zu trinken – im Nachbarland wird diese nämlich nach Herstellerangaben mit handelsüblichem Zucker hergestellt. Teilweise findet sich die „Mexican Coke“ sogar als besonderes Qualitätsmerkmal auf Speisekarten von Restaurants.
Doch warum setzen die USA überhaupt den Stoff in ihren Softdrinks ein? Tatsächlich reicht der Ursprung der Rezeptänderung bis weit in die Siebzigerjahre zurück – und er ist nicht zuletzt auf einen Unternehmer zurückzuführen.
1971 kam es zu einem überraschenden Verkauf von US-amerikanischem Getreide an die Sowjetunion. US-Präsident Richard Nixon sprach damals vom „größten Getreidehandel in der Geschichte der Völker“. Schon hinter diesem Deal steckte offenbar eine gewisse Vetternwirtschaft, wie der „Spiegel“ in einem Artikel von 1972 berichtete: Entgegen den Versprechen profitierte nicht die breite Masse der amerikanischen Farmer von dem Handel, sondern eine Handvoll Großkonzerne.
Der Deal löste allerdings einen Boom der Maispreise aus – und einen massiven Anstieg der Maisanbauflächen. In den Siebzigerjahren gingen die Preise zwar wieder zurück – doch gestützt durch Subventionen pflanzten die Landwirte weiter massig Mais an. Die Folge: Eine massive Überproduktion von Mais, die auch die Wirtschaft zu spüren bekam.
Das US-Magazin „Mother Jones“ hat die folgenden Ereignisse in einem Artikel nachgezeichnet: Maisverarbeitungsgiganten wie Archer Daniels Midland standen plötzlich vor der Situation, sich neue Geschäftszweige erschließen zu müssen. Sie hatten zwar massig billigen Mais zur Verfügung – für den Unternehmensgewinn brauchte es jedoch neue Ideen und Märkte. Und diese fand der Konzern in zwei Geschäftszweigen.
Zum einen sollte Mais künftig für die Ethanolproduktion eingesetzt werden, um damit den Benzinmarkt aufzumischen. Die andere Idee: Maissirup mit hohem Fruktosegehalt sollte in der Softdrink-Branche Fuß fassen, um die Vorherrschaft der Zuckerindustrie anzugreifen.
Der erhoffte Ethanol-Boom stellte sich zwar zunächst nicht ein – mit der Idee rund um den Maissirup war das Unternehmen dafür aber umso erfolgreicher. Und auch das hatte offenbar mit einer besonders glücklichen Beziehung des Konzerns zur US-Politik zu tun.
Geleitet wurde Archer Daniels Midland seinerzeit von einem Mann namens Dwayne Andreas. Dieser wurde von US-Medien als „vielleicht Amerikas größter Wahlkampfspender aller Zeiten“ bezeichnet. Unter anderem war Andreas an einer Kontroverse um die Watergate-Affäre beteiligt. Im Zuge der Ermittlungen wegen illegaler Wahlkampfspenden wurde Andreas angeklagt, Hubert Humphreys Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 1968 unrechtmäßig 100.000 Dollar gespendet zu haben. Schließlich wurde er jedoch freigesprochen. Andreas verstarb im November 2016.
Und auch für den Hype um Maissirup war Andreas offenbar maßgeblich verantwortlich: Um seine Produktion voranzutreiben, lobbyierte er ab den Siebzigerjahren für die Einführung einer Quote für im Ausland produzierten Zucker. Und mit diesem Plan fand er schließlich Gehör.
1981 wurde Ronald Reagan US-Präsident – er gilt als enger Vertrauter Andreas‘. Dieser unterzeichnete schließlich ein Gesetz, das hohe Quoten für Zuckerimporte vorsah. Der Zuckerpreise stieg dadurch unmittelbar auf das Doppelte des Weltmarktpreises, schreibt „Mother Jones“ – und der Maissirup wurde zur weitaus günstigeren Süßungsmöglichkeit. Eine Entwicklung, auf die schließlich auch die Softdrinkhersteller reagierten. Ab 1984 setzten sowohl Pepsi als auch Coca-Cola in den USA statt Zucker auf Maissirup – und so ist es bis heute.
Dabei blieb es aber nicht: Mit dem zunehmenden Einsatz des Maissirups stiegen in den USA auch die Fälle von Adipositas. Zwar ist der direkte Zusammenhang mit dem Süßungsmittel bis heute nicht eindeutig bewiesen – Studien allerdings legen nahe, dass der erhöhte Konsum mindestens „in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Adipositas-Epidemie“ steht und „der übermäßige Konsum von HFCS in kalorienreichen Getränken“ dabei eine Rolle spielen könnte.
Für Aufmerksamkeit sorgte 2015 auch eine Untersuchung der University of Utah: In einem Experiment mit weiblichen Mäusen stellten die Forscher eine doppelt so hohe Sterblichkeitsrate bei den Tieren fest, wenn sie anstelle von Saccharose einen Mix aus Fruktose und Glukose bekamen. Auch die Fruchtbarkeit sank bei den Mäusen um ein Viertel.
Forscherinnen und Forscher der Yale School of Medicine stellten zudem fest: Isoglukose wirkt anders auf das Gehirn, wodurch sich kein Sättigungsgefühl einstelle. Auch das stärke die Verbindung zur Fettleibigkeit.
In der EU unterliegt Isoglukose seit 2017 durch das Ende der Zuckerquotenregelung keinen Handelsbeschränkungen mehr, weswegen Kritikerinnen und Kritiker damals eine Flut des Süßungsmittels auch in deutschen Lebensmitteln befürchteten. Dies blieb jedoch aus.
Das Institut für Risikobewertung schrieb 2021 in einer Untersuchung, die zusammen mit dem Max Rubner-Institut (MRI) durchgeführt wurde, Maissirup werde auf dem deutschen Markt nur „selten verwendet“. Weniger als ein Prozent aller in den Datenbanken erfassten Lebensmittel verzeichneten diesen in der Zutatenliste. Falls das Süßungsmittel vorkomme, dann vor allem in Backwaren (etwa Brot und Brotprodukte, Kuchen, Gebäck), Süßwaren (etwa Schokolade, Schokoriegel, Fruchtgummi) und Fertiggerichten (zum Beispiel Instant-Nudeln, Instant-Reis, Fertigpizzen). Auch Snacks und Sportlernahrung werde Isoglukose zugesetzt
Wer überprüfen möchte, ob das Süßungsmittel in Produkten enthalten ist, findet das übrigens in der Zutatenliste auf dem Etikett. Hier ist entweder „Glukose-Fruktose-Sirup“ oder „Fruktose-Glukose-Sirup“ angegeben. Das Wort „Zucker“ hingegen darf ausschließlich für die Saccharose verwendet werden, also den herkömmlichen Haushaltszucker.
rnd