Die Zollverhandlungen zwischen Japan und den USA verlaufen harzig. In Tokio fragt man sich: Was will Trump eigentlich erreichen?


Die Deadline rückt immer näher: Bis zum 9. Juli will US-Präsident Donald Trump mit den Handelspartnern der USA über die Lieferbeziehungen verhandeln. Gelingt keine Einigung, könnten danach wieder die im April verkündeten Strafzölle gelten. Ein Szenario, das viele Länder tunlichst vermeiden wollen.
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Im Falle Japans verlaufen die Zollverhandlungen harzig. Trump sagte am Dienstag: «Wir haben mit Japan verhandelt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ein Abkommen schliessen werden. Ich bezweifle es.» Der Strafzoll, den die US-Regierung für Japan festgelegt hat, beträgt 24 Prozent.
Auch in Japan sind viele Kommentatoren frustriert. Sie sehen den eher rudimentären Charakter der bisherigen «Deals», die die Amerikaner etwa mit Grossbritannien oder China eingetütet haben, als Scheitern von Trumps Handelsagenda.
Worum es Donald Trump gehtDoch Trumps ehemaliger Chefunterhändler für Japan und Korea, Michael Beeman, erklärte kürzlich in Tokio, dass dahinter ein folgenschweres Missverständnis von Trumps Strategie stecke. Ein grosser Teil der Handelsgemeinschaft denke nach wie vor an detaillierte Abkommen mit Verpflichtungen und Streitbeilegungsmechanismen. «Aber das ist einfach nicht der Fall», sagte Beeman, der von 2017 bis 2023 als stellvertretender Handelsrepräsentant der US-Regierung für Ostasien zuständig war – erst unter Trump, dann unter Joe Biden. «Es handelt sich um eine andere Art von Abkommen.»
Der Trump-Kenner definiert diese als «Beziehungsabkommen, die Investitionen, Zusammenarbeit, Zölle und den Abbau von Handelsbarrieren umfassen». Es seien Gesamtpakete. «Nur der Präsident wird entscheiden können, ob es sich lohnt, bei seinen Drohungen und den hohen Zöllen Zugeständnisse zu machen.»
Daher hält Beeman es für wichtig, die Ziele und das Denken Trumps zu verstehen, da er weniger als zuvor von seiner Entourage gebremst wird. «Trump 2.0 ist die Fortsetzung von Trump 1.0, nur noch extremer», erklärte Beeman im Klub der Auslandskorrespondenten in Japan.
Demnach ist Trumps Ziel eine Reindustrialisierung der USA. Doch anders als sein Vorgänger Joe Biden setze er nicht auf Zölle und Subventionen, um gezielt Industrien anzulocken, sagt Beeman. «Das Ziel von Trumps Ansatz ist ein grundlegender Neustart der Handelsbeziehungen mit der Welt auf einem höheren Zollniveau.»
«Die Ungewissheit ist Teil des Plans»Die Verhandlungen mit den USA kranken aus der Sicht der Handelspartner an zwei Problemen, die laut Beeman allerdings Teil von Trumps Taktik sind. Ein Element ist, dass Trump Handel als Nullsummenspiel betrachtet, bei dem ein Land entweder Gewinner oder Verlierer ist.
Sosehr es andere Länder und Experten auch stören mag: Trump schaut nicht auf die Gleichheit der Bedingungen, beispielsweise bei den Zollhöhen. Sein Massstab ist die Handelsbilanz. Wer einen Überschuss hat, gewinnt, wer ein Defizit hat, ist ein Verlierer. Zölle sind für Trump das Mittel, um diesen Zustand zu korrigieren. Sie lassen sich daher auch nicht mehr wegverhandeln, sondern allenfalls nur beschränken.
Ein weiteres schwieriges Element ist Trumps vermeintliche Unberechenbarkeit, sein ewiges Hin und Her zwischen Zöllen, Aussetzungen von Zöllen und Androhungen noch höherer Zölle.«Die Ungewissheit ist Teil des Plans», sagte Beeman. Der Präsident sei nämlich der festen Überzeugung, dass sich Unternehmen in einer unsicheren Welt eher entschieden, Fabriken in den USA anzusiedeln – oder den amerikanischen Markt aufzugeben. Beides würde in Trumps Denken das Handelsbilanzdefizit reduzieren. «Es ist von entscheidender Bedeutung, dies zu verstehen, denn die Ungewissheit wird sich fortsetzen», mahnt Beeman.
Nichts währt ewigBeeman warnt davor, einen vermeintlichen Deal als dauerhaft anzusehen. «Man kann sich auf ein Abkommen nur so lange verlassen, bis entschieden wird, dass es nicht mehr gilt», meinte er. «Die Deals sind daher nicht besonders zuverlässig.» Das bedeutet, dass das langfristige Zollniveau nicht vorhersehbar ist.
Beeman schätzt, dass die Produkte der meisten Handelspartner mit Abgaben von 10 bis 20 Prozent belegt werden. Eine grosse Ausnahme ist für ihn China. «Ich glaube, dass China am Ende die höchsten Durchschnittszölle der Trump-Administration zu spüren bekommen wird.» Diese werden bei etwa 60 Prozent liegen, dem jetzigen Wert.
Denn mit China habe Trump keinen Ausgleich des Handels im Sinn, sagt Beeman: «Es geht um die Abkopplung wichtiger Industrien und Sektoren.» Die US-Regierung werde daher auch andere Länder unter Druck setzen, sich ebenfalls von China abzukoppeln. «Dies wird also eine grosse Herausforderung für viele Länder sein, insbesondere für diejenigen in Ostasien wie Japan und Südkorea.»
nzz.ch