Die Nervosität unter den Anlegern steigt: Bei einem nächsten Börsencrash stehen 35 000 Milliarden Dollar auf dem Spiel

Amerikanische Aktien sind teurer bewertet als während der Dotcom-Blase. Doch im Vergleich zu damals haben die Anleger deutlich mehr zu verlieren.
Zum Ausklang der Woche sind die Aktienkurse ins Rutschen gekommen. Für informierte Anleger kommt die Nervosität nicht überraschend, namhafte Börsenkenner mahnen schon länger. «Ich sollte das wahrscheinlich nicht sagen, aber: Wenn man eine Kakerlake sieht, gibt es wahrscheinlich noch mehr davon. Jeder sollte sich dessen bewusst sein», erklärte zum Beispiel Jamie Dimon, der Chef der Bank JP Morgan, anlässlich der Pleite der beiden Firmen Tricolor und First Brands, die im Automobilsektor tätig waren. Nun haben zudem die Kreditausfälle mehrerer amerikanischer Regionalbanken zur Schwäche an den Börsen beigetragen.
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Letztlich spielt es jedoch eine untergeordnete Rolle, welche konkreten Ereignisse die Investoren verunsichern. Denn nach dem jüngsten Kursrally sind die Bewertungen auf schwindelerregende Höhen geklettert. Diese lassen sich nur in einer perfekten Welt rechtfertigen, in der keinerlei Unzulänglichkeiten auftreten. Die renommierte Investmentgesellschaft GQG Partners hat vorgerechnet, dass die gegenwärtigen Bewertungen der amerikanischen Aktien sogar das Niveau übersteigen, welches vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 erreicht wurde. Der derzeitige Boom wirke wie «Dotcom auf Steroiden», schreibt die Firma in ihrer Analyse.
Eine eindringliche Warnung hat Gita Gopinath in der neuen Ausgabe der Zeitschrift «The Economist» verfasst. Die Harvard-Professorin und frühere Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds hat in einer Modellrechnung angenommen, dass der amerikanische Aktienmarkt im selben Ausmass eine Korrektur erlebt wie beim «Dotcom-Crash». Die ausländischen Investoren erlitten damals Wertverluste von 4000 Milliarden Dollar, gerechnet zu heutigen Preisen.
Doch seither haben die internationalen Investoren sehr viel mehr Geld an der amerikanischen Börse investiert – was zu den starken Kursgewinnen beitrug. Deshalb müssten diese Anleger bei einem gleich heftigen Einbruch wie damals mit Verlusten von 15 000 Milliarden Dollar rechnen. Noch härter würde es die amerikanischen Haushalte treffen, welche ihre Aktienanlagen ebenfalls kräftig erhöht haben: Ihr Vermögen würde um 20 000 Milliarden schrumpfen.
Der Dollar verstärkt das RisikoWorauf Gopinath mit dieser Kalkulation hinauswill: Der Wohlstandseffekt der Börse spielt stets in beide Richtungen. Die starken Kursgewinne der letzten Jahre haben wesentlich zum Konsumwachstum beigetragen. Umso heftiger aber könnte der nächste Crash die Rezession verschärfen. Zudem fehlen den heillos verschuldeten Staaten inzwischen die Mittel, um mit einer Finanzspritze gegenzusteuern.
Gopinath nennt einen weiteren Faktor, der das Risiko im Vergleich zum Jahr 2000 vergrössert: Der Dollar geniesst nicht mehr dasselbe Vertrauen. Während internationale Anleger in früheren Krisen davon profitierten, dass die amerikanische Währung als «sicherer Hafen» zulegte, könnte beim nächsten Crash das Gegenteil eintreten. Zum Rückgang der Börsenkurse käme dann der Währungsverlust hinzu. Einen Vorgeschmack lieferte der Einbruch an den Märkten nach dem «Liberation Day» im April. Die Anleger sollten sich also wappnen.
nzz.ch