Auch der Dax braucht zwei Versuche

Fast war es eine Pflichtübung. Nachdem die missratene Kanzlerwahl am Dienstag noch den sicher geglaubten Dax-Rekord sabotiert hatte, wurde dieser eben Freitagfrüh nachgeholt. Jetzt steht er knapp über 23.500 Punkten, was aber nicht die Tür zu weiteren Großtaten öffnete, sondern wohl eher den vorläufigen Scheitelpunkt markiert.
Nach dem Zollcrash Anfang April hat der Index genau einen Monat gebraucht, um mit einem Anstieg um mehr als 5000 Punkte oder gut 25 Prozent zur alten Höhe zurückzukehren. Den letzten Schubser brachte am Donnerstag die Einigung zwischen den USA und Großbritannien auf Zollerleichterungen, in der manche einen Beleg für Donald Trumps Einigungsbereitschaft sehen.
Das ist die optimistische Sicht auf die Dinge. Man könnte allerdings auch darauf verweisen, dass die USA selbst mit ihrem wohl geschmeidigsten Handelspartner bisher nicht mehr geschafft haben als eine vage Absichtserklärung.
Aber immerhin kamen aus dem Weißen Haus zuletzt keine größeren Störungen mehr. So konnten die Quartalsbilanzen wirken, die gut oder zumindest nicht schlechter als erwartet ausfielen. Die fünf Gewinner der Woche gehören allesamt in erstere Kategorie, von MTU über Airbus und Siemens Energy bis zu Fresenius Medical Care (FMC) und natürlich die unvermeidliche Rheinmetall.
Die Rüstungsaktie erreichte am Freitag zeitweise 1744 Euro, und auch die folgenden Gewinnmitnahmen konnten das Bild nicht wirklich trüben. Im vergangenen halben Jahr stehen jetzt 250 Prozent Kursgewinn zu Buche, insgesamt ist Rheinmetall an der Börse mehr als 70 Milliarden Euro wert – bei knapp 10 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr.
Entsprechend hat auch das Gewicht der Aktie im Dax zugenommen. Rheinmetall liegt inzwischen auf dem siebten Platz der wichtigsten Werte im Index. Dessen Rallye ist also zu einem guten Teil dem Boom der Rüstungsbranche zu verdanken.
Stefan Winter ist Wirtschaftsredakteur des RND. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über Börse, Finanzmarkt, Aufstieg und Fall der Kurse – und über die Unternehmen dahinter.
rnd