Letsch im Interview: "Das ist für uns Trainer Fluch und Segen zugleich"

Auf Red Bull Salzburg wartet am Freitag im Spitzenspiel bei Sturm Graz mal wieder ein Do-or-die-Spiel. Trainer Thomas Letsch spricht im kicker-Interview über den letzten Strohhalm in der Meisterschaft, die mangelnde Stabilität seiner Mannschaft und den Austausch mit Jürgen Klopp.
Herr Letsch, am Dienstag hat Inter Mailand eines der spektakulärsten CL-Halbfinales aller Zeiten gegen den FC Barcelona gewonnen. Wie viel Spektakel ist am Freitag in Graz zu erwarten?
(lacht) Ich erwarte ein etwas anderes Spiel, weil da - bei allem Respekt vor Sturm und uns - schon zwei Weltklasse-Mannschaften auf dem Platz gestanden sind. Es wird aber sicherlich ein ähnlich umkämpftes Spiel werden. Ich denke, dass es hin- und hergehen wird. Jeder kennt die Tabellenkonstellation und weiß, worum es drei Runden vor Schluss geht. Daher erwarte ich schon auch eine Art Spektakel.
Nach dem Sieg über die Wiener Austria haben Sie noch einmal Ihren Ärger über die vorangegangene Niederlage beim WAC kundgetan. Jetzt steht für Salzburg neuerlich ein Entscheidungsspiel an, bei einer Niederlage wäre die Chance auf den Meistertitel weg. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Ihre Mannschaft anders auftreten wird als im Lavanttal?
Wir haben bei der Austria und Rapid gezeigt, dass wir auch auswärts stark spielen können. Für uns ist es also nicht so entscheidend, wo wir spielen - wenngleich die Stimmung in Graz sicher extrem sein wird. Das war bei der Austria aber auch schon so und wir haben drei Punkte geholt. Außerdem macht mir die Reaktion auf die beiden WAC-Spiele, mit dem Heimsieg gegen den damaligen Tabellenführer Austria Wien, Mut. Dementsprechend glaube ich schon, dass wir nach der Partie in Graz nicht wieder von den Kameras stehen und sagen müssen, dass wir für das Spiel nicht bereit waren.
Wir können nicht erwarten, dass wir mit so vielen jungen und unerfahrenen Spielern die Gegner sieben Runden am Stück an die Wand spielen.
Warum haben Sie es nicht geschafft, die Mannschaft nachhaltig zu stabilisieren?
Wir haben leider nicht in allen Spielen wie erhofft performt, mischen aber unter dem Strich in der Tabelle vorne mit. Ich glaube, dass alle Mannschaften in der Meistergruppe mit schwankenden Leistungen zu kämpfen haben, das haben wir nicht exklusiv. Man darf dabei auch nicht ganz vergessen, wer bei uns auf dem Platz steht. Das ist keinesfalls eine Ausrede, aber wir können nicht erwarten, dass wir mit so vielen jungen und unerfahrenen Spielern die Gegner sieben Runden am Stück an die Wand spielen. Ich denke da zum Beispiel an Tim Trummer, Valentin Sulzbacher, John Mellberg, Edmund Baidoo oder Joane Gadou, die allesamt heuer auch schon in der UEFA Youth League zum Einsatz gekommen sind. Wir haben insgesamt einen Schritt nach vorne gemacht, aber die Konstanz war sicher noch nicht da. Wichtig war die Reaktion auf das Spiel beim WAC - jetzt müssen wir zeigen, dass das keine Eintagsfliege war. Wir müssen das Spiel bei Sturm genau mit der gleichen Leidenschaft und Einstellung angehen wie jenes gegen die Austria.
Bis auf den WAC präsentierte sich die Konkurrenz um den Titel in der Meistergruppe nicht sonderlich souverän. Inwieweit verleiht Ihnen dieser Umstand Hoffnung?
Solche Gedanken mache ich mir überhaupt nicht. Für mich geht es darum, dass wir unsere Spiele gewinnen. Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass man in Graz bei entsprechendem Spielverlauf zu einem anderen Zeitpunkt der Meisterschaft auch gern mal einen Punkt mitnimmt. Das wird diesmal natürlich anders sein, weil wir die Jäger sind. Vielleicht müssen wir am Schluss des Spiels ein bisschen mehr riskieren. Ansonsten schaue ich aber nicht darauf, was die anderen machen. Wir haben es nicht mehr in der eigenen Hand und stehen aktuell auf Platz vier. Deswegen wäre es vermessen, jetzt große Rechenspiele anzustellen.
Im Jänner haben Sie das Double als Ziel ausgerufen. Es folgte das Cup-Aus im Viertelfinale, in der Liga liegt Salzburg drei Spieltage vor Schluss auf Rang vier. Wie viel Druck verspüren Sie selbst?
Ich bin hier angetreten, weil ich daran geglaubt habe, dass wir das Double holen können. Der Reiz am Job bei Red Bull Salzburg ist ja, dass man um Titel spielt. Das muss immer unser Anspruch sein. Jetzt wollen wir noch das Maximum aus dieser Saison herausholen. Von außen verspüre ich keinen großen Druck, den mache ich mir in erster Linie selbst. Und Druck hat man im Profifußball sowieso immer, das ist Teil des Geschäfts. Drei Spieltage vor Schluss ist überall Dampf im Kessel.
Das hat man zuletzt auch bei den zahlreichen Trainerwechseln in Österreich und Deutschland gesehen. Dreht sich das Trainerkarussell mittlerweile zu schnell?
Ich habe gelesen, dass es in der 2. Deutschen Bundesliga bereits 15 Trainerwechsel in dieser Saison gab. Das ist schon heftig. Was für mich neu ist, sind die vielen Wechsel kurz vor dem Saisonende. Man kann sich darüber streiten, ob das sein muss - vor allem bei Mannschaften, bei denen es aus meiner Sicht nicht mehr um alles oder nichts geht. Insgesamt sind die Trainerwechsel aber Teil des Jobs. Ich habe ja auch davon profitiert, dass es bei Salzburg in dieser Spielzeit einen gab. Insofern ist das für uns Trainer Fluch und Segen zugleich. Letztlich ist es wohl müßig darüber zu diskutieren, ob das Geschäft noch schnelllebiger geworden ist. Mit dieser Entwicklung muss man als Trainer einfach leben, sonst darf man den Job nicht machen.
Sie haben vorhin die vielen Youngsters in Ihrem Kader angesprochen, auch der Einzug ins Youth-League-Halbfinale spricht für die starke Nachwuchsarbeit in Salzburg. Blickt der Verein nach zwei schwierigeren Spielzeiten in eine rosige Zukunft?
Es war ja schon das vierte Mal, dass wir im Final Four der Youth League waren. Speziell nach dem Youth-League-Sieg (2017, Anm.) haben viele Spieler den Sprung in die große Fußballwelt geschafft. Man muss dennoch vorsichtig sein: Das eine ist Nachwuchsfußball, das andere Profifußball. Wir müssen aktuell nämlich schon auch so ehrlich sein und sagen, dass die jungen Spieler beim FC Red Bull Salzburg vor allem deshalb so viel spielen, weil wir zahlreiche gravierende Ausfälle haben. Das ändert aber nichts daran, dass es die Jungs gut machen und wir auf sie setzen. Die Jugendarbeit ist ein ganz wichtiger Baustein für die Zukunft dieses Klubs. Und ich bin froh, dass wir solche Spieler haben, die den Weg geduldig mit uns mitgehen. Ich führe da gerne das Beispiel John Mellberg an: Wir haben ihm vor einigen Monaten gesagt, dass er noch kein Startelf-Spieler ist. Er hat das angenommen, super trainiert, viel Spielpraxis gesammelt und bringt jetzt ein viel besseres Rüstzeug mit, um für unsere Mannschaft bereit zu sein. So soll es sein! Dennoch wäre es der falsche Weg, in Zukunft mit einer Mannschaft, die einen Altersschnitt von 18,5 Jahren hat, aufzulaufen. Man muss eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern finden.
Jürgen und ich befinden uns immer wieder mal im Austausch. Das läuft genau so, wie es angedacht war.
Thomas Letsch über den Austausch mit Jürgen Klopp
Stichwort Erfahrung: Ist Karim Onisiwo für das Spiel gegen Sturm einsatzbereit?
Er könnte eine Option sein. Er hat am Mittwoch mit der Mannschaft trainiert und wird dabei sein, sofern er keinen Rückschlag erleidet. Karim hat auch gegen die Austria schon die ganzen Abläufe vor dem Spiel mitgemacht und wollte unbedingt dabei sein. Darum geht es ja auch bei einem Führungsspieler wie ihm: mitzuhelfen, auch wenn man selbst nicht auf dem Platz stehen kann. Noch viel besser wäre es natürlich, wenn Karim am Freitag die Fußballschuhe anziehen könnte. Er ist jemand, der schon genug erlebt hat und weiß, worauf es in solchen Spitzenspielen ankommt.
Nahezu keine Rolle mehr spielte zuletzt Bobby Clark. Wie sieht die weitere Planung mit ihm aus?
Ich war nur vor der Woche im Heimspiel gegen Sturm (1:2, Anm.) mit seiner Trainingsleistung unzufrieden, ansonsten passt alles mit Bobby. Dass sich Dinge im Kader ändern werden, ist ja logisch, aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt, um über einzelne Personalien zu sprechen. Wir haben noch drei Spiele in dieser Saison, die für uns sehr wichtig sind. Darauf konzentrieren wir uns.
Geschäftsführer Stephan Reiter sprach in dieser Woche von einem "begrenzten Austausch" mit Red-Bull-Fußballchef Jürgen Klopp. Inwieweit erhoffen Sie sich für die kommende Transferzeit einen intensiveren Austausch mit ihm?
Jürgen und ich befinden uns immer wieder mal im Austausch. Das läuft genau so, wie es angedacht war. Meine wichtigsten Ansprechpartner im Klub sind Rouven Schröder (Geschäftsführer Sport, Anm.) und mein Trainerteam. Für mich ist entscheidend, dass ich mit ihnen gut klarkomme, weil sie genau wissen, was hier tagtäglich passiert.
kicker