Bundesliga-Legende Jupp Heynckes im Interview über seine Herz-OP, Madonna und Pfannkuchen

Herr Heynckes, am 9. Mai feiern Sie Ihren 80. Geburtstag. Zahlreiche Fußball-Fans und unsere Leser wollen wissen: Wie geht es Ihnen?
Danke, ich würde sagen: Es geht mir altersgerecht gesehen gut. Ich war heute Morgen schon im Schwimmbad, um das Herz-Kreislauf-System zu stärken. Die Jahre gehen dahin, das Alter aber ist nur eine Zahl. Dennoch weiß ich: Nicht jeder wird 80, das ist nicht selbstverständlich. Als ich vor zweieinhalb Jahren operiert wurde, habe ich sehr viel Glück gehabt.
Im November 2022 mussten Ihnen mehrere Bypässe gelegt werden, Sie lagen danach zwei Wochen auf der Wach- und Intensivstation der Uni-Klinik Düsseldorf.
Mein Freund und Hausarzt Dr. Heinz Hermann-Aretz, der mich und meine Frau Iris seit Jahren betreut, hat gemeinsam mit dem Kardiologen Dr. Robert Zabrocki vom Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach-Rheydt meine Beschwerden richtig diagnostiziert. Sofort wurden die dringend notwendigen Schritte eingeleitet, eine Woche nach der Diagnose lag ich schon auf dem OP-Tisch. Eine schwierige Bypass-Operation, stundenlang. Aber ich war bei Professor Dr. Artur Lichtenberg in besten Händen.
Sie empfanden die Zeit nach der OP als „die schlimmste Zeit meines Lebens“, als „ein Martyrium“, weil Sie nicht schlafen konnten, die Zeit nicht verging.
Ja, mittlerweile aber habe ich mich gut erholt. Ich habe selbst viel zu meiner Reha beigetragen, alle vorgeschlagenen Maßnahmen mitgemacht. Denn eines darf man nicht machen nach so einer Operation: sich ausruhen und warten, dass es besser wird. Sie müssen wissen, dass ich in der Zeit im Krankenhaus und danach zunächst rund zehn Kilogramm an Körpergewicht verloren habe. Das musste ich ja aktiv wieder aufbauen. Heute fühle ich mich wieder fit.
Was für Übungen machen Sie denn? Wie halten Sie sich fit?
Ich mache dreimal pro Woche Gymnastik, dazu Stabilisationsübungen. Ich sitze auf dem Fahrradergometer, mache Krafttraining. Wichtig dabei ist: nie zu viel! Und immer altersgerecht! Darf ich fragen, Herr Strasser, wie alt sind Sie denn mittlerweile?
Ich habe gerade den 50. Geburtstag hinter mir ...
… ach, Sie sind ja noch ein junger Hüpfer (lacht).
Das ist immer eine Frage der Perspektive.
Natürlich, da haben Sie recht. Ich bin ein Bewegungsmensch, mache in unserer wunderbaren Natur hier am Niederrhein (in Fischeln, ein Ortsteil von Schwalmtal, d. Red.) so viele Spaziergänge wie möglich pro Woche, richtig lang und stramm, über Stunden. Das sind wunderbare Runden durch die Wälder, vorbei an den Feldern, den Seen, den Mühlen. Da kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Lang ist's her: 1971 wird Jupp Heynckes als Spieler mit Borussia Mönchengladbach deutscher Meister.
Quelle: imago images/Ferdi Hartung
Wer begleitet Sie? Ihr Schäferhund Cando ist ja leider vor ein paar Jahren verstorben.
Niemand, ich gehe alleine. Meine Frau ist wegen ihrer Prothesen nicht so gut zu Fuß, und einen neuen Hund wollten wir uns nach unserem geliebten Cando nicht mehr zulegen. Erstens, damit uns der Hund nicht überlebt, das wäre nicht schön für ihn. Und zweitens, weil meine Tochter Kerstin bei sich zu Hause Katzen hat. Bei meinen Spaziergängen höre ich sehr gerne Musik.
Was denn am liebsten?
Querbeet, im Radio WDR 2. Man hat ja heutzutage alle Apps auf dem Handy. Ansonsten von den 60er-Jahren bis in die 90er Interpreten wie Elton John, Pink Floyd, Tina Turner, Bruce Springsteen, die Dire Straits oder auch Herbert Grönemeyer. Ich war nie ein großer Stones-Fan, liebe eher die Beatles. Aber was die Stones bis ins hohe Alter noch leisten, ist phänomenal. Musik weckt immer Emotionen, ganz besonders auf Konzerten.
An welche denken Sie da?
Ich habe Sammy Davies, Jr. gemeinsam mit Rainer Bonhof in Düsseldorf live gesehen, da war ich hin und weg. Oder einmal Lionel Richie in Paris – wie die Menschen da abgegangen sind, war toll. Madonna habe ich im Rheinstadion gesehen. Eine perfekte Show, aber nicht ganz mein Geschmack. Zu meiner Zeit als Trainer in München habe ich einige Konzerte besucht. Paul McCartney, Phil Collins oder den Opernsänger Peter Hofmann. Den werden Sie nicht kennen, Herr Strasser.
Doch, doch. Hofmann hat meine Oma Marga immer gerne gehört. Auf Kassette. Zurück zu Ihnen: Wie sieht Ihr Alltag auf Ihrem umgebauten Bauernhof aus?
Mein Alltag ist ausgefüllt, ich habe überhaupt keine Langeweile, falls Sie das denken. Manchmal komme ich nicht einmal dazu, Zeitung zu lesen. Ich stehe auf, habe kein festes Programm und falle dann abends trotzdem müde ins Bett (lacht). Natürlich helfe ich meiner Frau im Haushalt, ich bin bei uns der Chef-Einkäufer. Ich besorge alles, was man so zum Leben braucht und kümmere mich um unseren ziemlich großen Garten.
Haben Sie in Ihrem Teich noch Koi-Karpfen?
Natürlich, derzeit sind es 32. Das ist auch eine Aufgabe, den Teich pflegen, die Fische füttern. Da lege ich selbst Hand an. Außerdem bin ich mittlerweile zum Hobbykoch geworden.
So? Was denn?
Gemüseauflauf. Oder Fisch. Seezunge mit Brokkoli. Als Nachspeise Pfannkuchen, mit Apfel oder Heidelbeere. Dazu nutze ich auch unseren kleinen Kräutergarten.
Wie oft haben Sie noch Kontakt zum FC Bayern? Etwa zu Ihrem Freund Uli Hoeneß.
Wir telefonieren ab und zu. Häufiger tausche ich mich mit Peter Hermann, Egon Coordes oder Holger Broich (die ersteren waren Co-Trainer unter Heynckes, Broich Fitnesstrainer, d. Red.) aus.
Sie haben viermal in München gearbeitet, den FC Bayern geprägt. Und der Verein hat Sie geprägt – in ganz unterschiedlichen Lebensphasen. Bei Ihrem ersten Engagement ab Sommer 1987 kamen Sie von Borussia Mönchengladbach, waren erst 42 Jahre alt, wurden im Oktober 1991 freigestellt. Dann kehrten Sie nach Stationen bei Athletic Bilbao, Eintracht Frankfurt, CD Teneriffa, Real Madrid, Benfica Lissabon, wieder Bilbao, Schalke und erneut Mönchengladbach 2009 für ein paar Wochen zurück.
Meine erste Zeit nach dem Weggang aus Mönchengladbach war schwierig für mich als junger Trainer. Wenn man zu einem europäischen Großklub wie dem FC Bayern wechselt, muss man vieles lernen. Durch meine Auslandsstationen bin ich gereift, wurde gelassener.

War auch Trainer in Leverkusen: Jupp Heynckes (links) im Jahr 2009 mit Sportdirektor Rudi Völler.
Quelle: imago sportfotodienst
Von 2009 bis 2011 arbeiteten Sie erfolgreich bei Bayer Leverkusen. Hoeneß rief erneut an, ein letztes Mal im Oktober 2017.
Das Vertrauen von Uli und Kalle Rummenigge in mich war immer da. Nach dem Motto: Wenn wir den Jupp holen, wird das schon funktionieren.
Am besten beim legendären ersten Triplegewinn des FCB 2013. Mit der Vorgeschichte von 2012.
Die Saison verlief unglücklich. Aber eine Vizemeisterschaft, dazu zwei verlorene Finals in der Champions League und im DFB-Pokal, da würden sich andere Vereine die Finger nach abschlecken. Für den FC Bayern war das jedoch fürchterlich. Der Stachel saß tief. 2013 haben wir das korrigiert. Wir sind als Mannschaft gewachsen und zurückgekommen, haben eindrucksvoll bewiesen, dass wir die drei Titel holen können. Plötzlich griffen alle Automatismen. Als wir im Halbfinale Barcelona so souverän (4:0 und 3:0, d. Red.) ausgeschaltet haben, sagte ich zu meiner Frau: Wir gewinnen die Champions League. Ein Trainer hat so etwas im Gefühl. So kam es dann auch.
Sie wurden 2013 nach dem Triplegewinn mit Bayern und 2018, als Sie zum Ende Ihrer Karriere mit 73 Jahren noch einmal die Münchner zur Meisterschaft führten, zu Deutschlands Trainer des Jahres gewählt.
Eine tolle Auszeichnung. Ich bin dankbar für mein gesamtes Leben. Als Spieler, als Trainer und die Zeit danach. Für all das, was ich erleben durfte und erreicht habe.
rnd