Das Geschäft mit der Liebe: Wann sich eine Beratung für die Liebe lohnt – und was sie nicht leisten kann

Von Beziehungspannen und Dating-Fails hin zur großen Liebe: Mit den richtigen Coaching-Programmen und dem nötigen Kleingeld scheint dieses Versprechen in greifbarer Nähe. Aber woher kommt der Hype um sogenannte "Love-Coaches", liefern diese wirklich, was sie in Aussicht stellen und warum greifen vor allem Frauen auf die Angebote zurück? Eine Expertin klärt auf.
Wer heute eine glückliche Beziehung führen will, muss investieren – Zeit, Aufmerksamkeit, Selbstreflexion und oft auch Geld. Während über Paartherapie oft noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, hat sich in den letzten Jahren ein neuer Markt etabliert: das sogenannte " Love Coaching".
Datingprofile erstellen, über den Ex hinwegkommen, Beziehungsmuster verstehen oder richtig flirten: All das versprechen zahlreiche Angebote von "Love-Coaches" in Deutschland. Eine Stunde kostet im Schnitt 200 Euro, ein zwölfwöchiger Kurs schnell 3000 Euro. Damit liegen die Kosten ähnlich hoch wie bei Einzel- oder Paartherapie. Der Unterschied? Das Marketing. Von schnellen Tipps auf TikTok und Instagram über Podcasts bis zu Kursen, die versprechen, dass Liebe nur eine Frage des Mindsets sei. Gefundenes Fressen für eine Gesellschaft, die sich immer weiter optimieren will.
Auffällig: Viele Programme richten sich gezielt an Frauen – und das mit Erfolg. In den sozialen Netzwerken erzählen Frauen, dass sie Tausende von Euros für die Suche nach dem Richtigen investieren oder Programme wahrnehmen, in der Hoffnung, ihre Probleme in bestehenden Beziehungen zu lösen. Was mit Dating beginnt, reicht inzwischen bis zur Heilung des "inneren Kindes", mehr Selbstbewusstsein oder sogar Finanztipps. Viele Coaches berichten in Podcasts stolz von fünfstelligen Monatsumsätzen.
Was genau steckt hinter dem Erfolgs-Business der Coaching-Industrie? Wir haben mit einer Expertin gesprochen.BRIGITTE: Wo kommt der Hype um "Love-Coaches" her?
Birgit Fehst: Das Thema Selbstoptimierung ist durch Instagram, Tiktok und Co. zum Riesentrend geworden – damit rücken auch Beziehungen stärker in den Fokus. Gleichzeitig tummeln sich viele Dating-Coaches in den sozialen Medien, deren Tipps einem ausgespielt werden. Vielen wird durch diese Tipps erst bewusst, wo es hakt und dass sie Unterstützung gebrauchen könnten.

Wie gehen wir mit Beziehungskrisen um? Wann ist eine Trennung sinnvoll? Warum trennen sich Frauen anders als Männer? Diese und weitere Fragen beantworten wir in unserem PDF-Dossier zum Thema Beziehungen in der Krise.
Was sagt der Trend zu Coaching über unsere Gesellschaft aus?
Beziehungen haben sich stark verändert: Alles ist schnelllebiger. Die Anonymität der Großstadt begünstigt die Einsamkeit. Durch Dating-Apps und den Einfluss von Social Media, dass eine Beziehung perfekt sein sollte, legen sich viele weniger schnell fest. Der Coaching-Trend zeigt aber auch, dass es auch immer anerkannter wird, sich Hilfe zu suchen. Viele Probleme gab es vor fünf Jahren auch schon, aber es gab noch nie so vielfältige Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Und Therapie ist teilweise immer noch etwas stigmatisiert. Coaching war früher eher im Karrierekontext üblich, es klingt irgendwie leichter, positiver, unverfänglicher. Es gibt tatsächlich auch häufiger den Fall, dass Paare oder Einzelpersonen mir sagen "Ich möchte das hier gerne Beratung oder Coaching nennen und nicht Therapie", weil das Wort für viele immer noch zu "scary" ist.
Sind die Menschen heute beziehungsunfähiger oder einfach nur anspruchsvoller?
Ich glaube, dass Menschen noch genauso wie früher gerne Beziehungen hätten, der Kontext hat sich allerdings verändert. Dating-Apps schaffen beispielsweise andere Voraussetzungen und beeinflussen auch, wie wir uns verhalten. Die große Auswahl verführt dazu, sich weniger Mühe zu geben und schnell weiterzuziehen.
Besteht die Gefahr, dass Coaches in Felder vordringen, die psychotherapeutische Kompetenz erfordern?
Total. Gerade weil es auf Social Media viele gibt, die keinerlei wirkliche Ausbildung in dem Bereich haben und nicht wissen, was alles dahintersteckt. Dann berät man oft schon am eigentlichen Problem vorbei. Ich würde auf keinen Fall sagen, dass alle Coaches schlecht sind. Es gibt tatsächlich sehr gute. Aber eben auch viele, die das Wissen nicht unbedingt professionell gelernt haben. Da muss man aufpassen.
Birigt Fehst ist Paar- und Sexualtherapeutin in Berlin. Neben ihrer Tätigkeit tritt sie häufig als Expertin für Beziehungen in diversen Medien auf und gibt selbst in Sozialen Medien Tipps zum Thema Liebe. 2024 erschien ihr Buch: "Harte Wahrheiten aus dem Leben einer Paartherapeutin". Sie kennt beide Seiten: und weiß deswegen genau, wann ein Coaching ausreicht und wann eine Therapie angebracht wäre.
© Privat
Woran erkennt man ein seriöses Coaching-Angebot?
Ich würde mir immer zuerst die Vita des Coaches angucken: Wo kommt das Wissen her? Es geht nämlich beim Coaching darum, Wissen weiterzugeben, statt innewohnende Muster tiefgreifend zu verändern. Allerdings gibt es viele Programme, die Letzteres bewerben, und das ist in dem Rahmen einfach nicht möglich. Man muss klar zwischen Coaching und Therapie unterscheiden und die Grenze ist oft schmal.
Wie könnten Menschen einschätzen, was sie eher benötigen?
Wenn sie beispielsweise immer wieder in dieselben Spiralen geraten, dann ist das eher ein Therapiethema. Wenn das Grundproblem etwa im Bindungsstil liegt, wird man immer wieder dieselben Herausforderungen haben, da helfen banale Beziehungstipps nichts. Viele erleben gerade beim Dating immer wieder negative Trends wie "Ghosting", besonders Frauen. Oder sie geraten oft an "Vermeider", die anfangs ausgiebig die Liebe beschwören und Geschenke überreichen, und dann weglaufen, wenn es ernst wird. Hinter diesen Dingen liegen tiefere Muster.
Ist der Trend zum Coaching ein Spiegel unserer Leistungsgesellschaft? Liebe, als etwas, was man aktiv managen sollte?
Ich glaube tatsächlich, dass nicht die Liebe, aber eine Beziehung etwas ist, was man aktiv managen und wo man immer wieder dranbleiben sollte. Für andere Sachen im Leben muss man sich ja auch bestimmte Fähigkeiten aneignen, warum nicht auch in der Beziehung? Das sind Dinge, die wir nie in der Schule gelernt haben, also macht es total Sinn, sich Hilfe zu holen, wenn es nicht rundläuft. Was dann aber schwierig ist, sind standardisierte Coaching-Programme nach dem Motto "One Size Fits All". Da kann man sich vielleicht ein paar gute Tipps abstauben, aber tiefergehende Probleme wird man eher nicht lösen.
Studien zufolge greifen insbesondere Frauen auf Beratungs- und Therapieangebote zurück. Auch Coaching-Programme sprechen oft gezielt Frauen an. Wie kommt das?
Frauen sind in der Regel die emotionaleren Wesen und machen sich viel mehr Gedanken darüber. Sie sprechen auch untereinander häufiger über Probleme in ihren Beziehungen. Dann holt man sich auch eher Hilfe, weil man im Umgang mit Emotionen und Schwierigkeiten generell offener ist. Männer reden mit ihren Freunden tendenziell eher über ihre Erfolge und nicht so sehr über ihre Probleme. Und gehen auch tatsächlich auch viel seltener in ein Coaching oder eine Therapie. In meinen Einzelsitzungen sind es ungefähr zu 80 Prozent Frauen.
Haben Sie das Gefühl, dass wir in Beziehungen aktuell wieder in "veraltete" Rollenbilder verfallen?
Heute ist es in der Regel nicht mehr so, dass die Frau zu Hause bleibt und der Mann arbeitet. Trotzdem kümmert sich Frau schon eher mehr um die Kinder und leistet mehr Care-Arbeit. Ich rate dringend dazu, dass die Männer einen Teil davon mit übernehmen müssen, sich auch um die Geburtstagsgeschenke für die Kinder kümmern oder darum, Weihnachten zu organisieren. Sonst kann es irgendwann sein, dass die Frau verzweifelt und auch die Gefühle verliert, weil sie nicht mehr kann. Oft denken die Männer, sie seien die Versorger und brächten das Geld nach Hause, und das würde dann ausreichen. Vielleicht hat es früher einmal tatsächlich gereicht, weil es einfach so festgelegt war. Aber das hat sich verändert.
Dann wäre es ja gerade ein Ansatz, dass auch mehr Männer Beratung in Anspruch nehmen...
Das wäre auf jeden Fall sehr hilfreich. Es sind statistisch gesehen viel mehr Frauen, die in den ängstlichen Bindungsstil fallen, und mehr Männer, die sogenannte "Vermeider" sind. Da würde es auf jeden Fall Sinn ergeben, wenn die Männer ebenfalls Beratungsangebote wahrnehmen würden. Bei einem einseitigen Coaching möchte sich nur eine Person optimieren, darin sehe ich auch eine Gefahr. Es ist natürlich immer sinnvoll, auf sich selbst zu gucken und an seinen Mustern zu arbeiten, aber bei Beziehungsproblemen müssen schon beide ran. Ob sie dann zum Coach oder zur Therapie gehen, kommt darauf an, was für Probleme sie haben.
Welche Probleme wären das beispielsweise?
Wenn es um einfache Sachen geht, die eher eine Mediation benötigen, wie den Haushalt und das Streitverhalten in den Grundzügen, dann kann man auch ruhig in eine Beratung gehen. Sobald die Reibungen in der Paardynamik liegen, also in dem, wie beide miteinander in Beziehung treten, würde ich immer eher eine Paartherapie empfehlen.
Was würden Sie Menschen raten, die das Gefühl haben, in der Liebe klappt es einfach nicht?
Wenn man immer wieder bei demselben Typ Mensch landet, liegt die Ursache oft in einem selbst – meist in der Kindheit geprägt. Viele denken, mit ihren würde irgendetwas nicht stimmen oder sie seien nicht gut genug, aber es liegt oft einfach daran, dass man ungünstige Prägungen hat. Sich das bewusst zu machen, hilft schon viel. Und dann kann man daran arbeiten, Strategien zu entwickeln, die helfen, den Blickwinkel zu erweitern und aus diesen Mustern auszubrechen.
Brigitte
brigitte