Inflammaging: Entzündungen typisch beim Altern – aber nicht bei jedem



Alterserkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Alzheimer kommen bei nicht industrialisierten Ethnien deutlich seltener vor. / © Getty Images/phynart studio
Im Laufe des Alterns nehmen systemische, chronisch-niedriggradige Entzündungen deutlich zu. Man geht sogar so weit, dass ein derartiges Entzündungsgeschehen als ein universelles Kennzeichen des Alterns gilt. Das scheint allerdings zu kurz gegriffen, wie eine neue Studie zeigt. Darin wird systematisch die Annahme hinterfragt, dass chronische Entzündungen ein typisches Merkmal des Alterns sind.
Dr. Maximilien Franck vom Research Center on Aging der University of Sherbrooke in Quebec, Kanada, und Kollegen verglichen dazu inflammatorische Zytokin-Profile aus vier humanen Kohorten mit unterschiedlich industrialisierten Lebensweisen. Seine Daten publizierte das Team jetzt im Fachjournal »Nature Aging«.
Die Autoren replizieren eine zuvor etablierte Inflammaging-Achse basierend auf 19 Zytokinen, darunter IL-1β, IL-6, IL-10, TNF, CRP, lösliche TNF-(sTNF) Rezeptoren und andere. Diese Parameter bestimmten sie in der italienischen InCHIANTI-Kohorte und aus drei weiteren Populationen. Bei einer Population handelte es sich um die industrialisierte, urbane Kohorte aus der Singapore Longitudinal Aging Studie (SLAS). Die beiden anderen Kohorten betrafen nicht industrialisierte indigene Gruppen, konkret die Tsimane aus dem bolivianischen Amazonasgebiet (THLHP), die als das gesündeste Volk der Welt gelten, und die Orang Asli aus Malaysia (OA HeLP).
Die Entzündungsparameter wurden in dieser Studie nicht direkt aus Blutproben ermittelt. Vielmehr stammen sie aus bestehenden Datensätzen für die jeweiligen Bevölkerungsgruppen.
Die Analysen der Forschenden ergaben, dass die Entzündungswerte mit zunehmendem Alter anstiegen und bei der italienischen und singapurischen Gruppe auch mit Krankheiten wie chronischer Nierenerkrankung in Verbindung standen. Bei den beiden indigenen Gruppen hingegen nahmen die Entzündungen weder mit zunehmendem Alter zu noch führten sie zu Gesundheitsproblemen.
Das war überraschend. Auf der anderen Seit zeigt dieses Resultat, dass oft Störfaktoren vorhanden sind, die als solche so gar nicht wahrgenommen werden. So basiert vieles, was man über die Biologie des Alterns zu wissen glaubt, auf Untersuchungen in wohlhabenden Ländern. Und hier zeigen die Daten deutlich, dass Entzündungen mit zunehmendem Alter zunehmen und zu Gesundheitsproblemen wie Alzheimer, Diabetes und Herzproblemen beitragen können.
Diese Erkrankungen sind jedoch bei indigenen Bevölkerungsgruppen selten. Und durchaus nachvollziehbar bleiben die zwar hohen Zytokinwerte in den beiden indigenen Gemeinschaften stabil und steigen mit zunehmendem Alter nicht weiter an. Die erhöhten Zytokinwerte könnten in den indigenen Populationen eine Reaktion auf häufigere Infektionen durch Parasiten, Bakterien oder Viren sein, diskutieren die Forschenden.
Zusätzlich untersuchte das Team, ob typische Einflussfaktoren wie der BMI, das Rauchen oder Marker für Infektionslast (Leukozytose, Eosinophilie) die Inflammaging-Scores beeinflussten. In den industrialisierten Kohorten war der BMI ein starker Prädiktor für höhere Scores. Auch Rauchen zeigte eine Assoziation mit höheren Entzündungsmarkern. In den nicht industrialisierten Populationen hingegen war der BMI nicht signifikant mit Entzündungen assoziiert, und auch Eosinophilie, die als Marker für Helminthen-Infektionen interpretiert wurden, zeigten keine konsistente Assoziation, wohingegen Leukozytosen positiv mit Inflammaging-Scores korrelierten.

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