Achtung, Borreliose: Pilz-Saison ist Zecken-Zeit – diese Gefahr lauert im Unterholz

Die Pilz-Saison zieht viele Berliner in die Wälder Brandenburgs. Doch es ist Vorsicht geboten, nicht nur bei der Auswahl der Pilze. Die Zecken-Saison geht zwar ihrem Ende entgegen, doch nach wie vor lauern die kleinen Blutsauger im Unterholz. Sie übertragen Krankheiten: FSME und vor allem Lyme-Borreliose.
Der Klimawandel verschärft das Problem. Das zeigt die Statistik des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso). „Die Gesamtzahl der Fälle in diesem Jahr liegt mit 862 deutlich über dem Median des gleichen Zeitraums der vorpandemischen Jahre 2015 bis 2019“, teilt die Behörde mit. „Im gleichen Zeitraum wurden 2023 und 2024 insgesamt 615 bzw. 623 Fälle an das Lageso übermittelt.“ In der zurückliegenden Berichtswoche waren es 41 Fälle, Tendenz inzwischen fallend.
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, spielt in der Berliner Statistik eine untergeordnete Rolle. Der Erreger wurde bisher in Berlins Nachbarkreisen Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und Oder-Spree nachgewiesen. Er verbreitet sich in Deutschland von Süden kommend immer weiter in Richtung Norden.

FSME ist eine Form der Hirnhautentzündung. Man kann sich dagegen impfen lassen. Gegen Borreliose wird derzeit ein Impfstoff entwickelt. Mit einer Zulassung wird für das kommende Jahr gerechnet.
Typisches Zeichen für eine Infektion mit dem Borreliose-Erreger ist die sogenannte Wanderröte. Sie tritt in rund 90 Prozent der Fälle auf, mitunter erst Wochen später: Um die Einstichstelle bildet sich ein rötlicher Ring. Zu den Symptomen zählen zudem Abgeschlagenheit, schmerzende Gelenke und Muskeln sowie Fieber oder Nachtschweiß und geschwollene Lymphknoten.
Die meisten Infektionen verlaufen symptomlos. Bei manchen Patienten bricht die Erkrankung erst Monate oder Jahre später aus. In Einzelfällen kommt es zu einer chronischen Entzündung der Haut. Die Haut an den Innenseiten der Arme und Beine, an Fingern, Zehen, aber auch an der Nase kann sehr dünn werden und sich bläulich verfärben.
Etwa fünf Prozent der Patienten entwickeln eine sogenannte Lyme-Arthritis: Schubweise entzünden sich Gelenke, vor allem die Knie, an Sprunggelenken, Ellenbogen, Fingern, Zehen und Handwurzeln. Sehr selten sind Herzprobleme infolge einer Borreliose (Lyme-Karditis) wie Herzmuskelentzündungen oder Herzrhythmusstörungen. Treten brennende Nervenschmerzen, Lähmungen insbesondere der Gesichtsnerven oder und eine Hirnhautentzündung auf, spricht man von einer Neuroborreliose.

Ein Bluttest hilft, einer Borreliose-Infektion auf die Spur zu kommen, denn einige der Symptome können auch auf andere Krankheiten hindeuten. Antikörper dienen als Hinweis, allerdings bedeutet ihr Nachweis nur, dass das Immunsystem im Lauf des Lebens bereits einmal Kontakt zu Borrelien hatte, nicht aber, ob es sich um eine akute Infektion handelt. Beim Verdacht auf eine Neuroborreliose ist eine Untersuchung des Nervenwassers angezeigt. Behandelt wird eine Borreliose klassischerweise mit Antibiotika wie Doxycyclin. Es wird oral für gewöhnlich über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen verabreicht.
Nicht jede Zecke trägt den Erreger in sich. Mit Borreliose sind durchschnittlich 20 Prozent der hierzulande häufigsten Zecken-Art infiziert, der Gemeine Holzbock genannt, mit dem Entwicklungsstadium von der Larve über die Nymphe bis zum ausgewachsenen Tier nimmt die Virenlast zu.
Entscheidend ist der Faktor Zeit. Der Borreliose-Erreger befindet sich im Verdauungstrakt der Zecke. Bis er in die Wunde gelangt, vergehen einige Stunden. Der FSME-Erreger ist dagegen im Speichel der Zecke angereichert und geht direkt in die Blutbahn.

Vier bis sechs Jahre kann ein Gemeiner Holzbock alt werden. In dieser Zeit kommt er auf etwa drei Blutmahlzeiten. Zecken halten sich oft in Laubschichten auf und warten dort darauf, dass ein Wirt vorbeikommt. Die Tiere können nicht trinken, nehmen stattdessen verdunstetes Wasser über ihre Körperfläche auf, zum Beispiel Morgentau.
In Berlin hat der Mensch dafür gesorgt, dass Zecken ihr bevorzugtes Umfeld vorfinden. Früher wurde in den Parks der Stadt das Laub zusammengeharkt und abtransportiert. Mit steigendem ökologischen Bewusstsein aber wuchs die Menge an abgestorbenem Grünzeug, das seitdem als natürlicher Dünger fungiert – und als natürliche Behausung der Zecken.
Zecken lieben Brandenburgs MischwälderIn Brandenburg wiederum werden die Nadelwälder zu Mischwäldern umgebaut, die weniger anfällig für Schädlinge sind. Auch diese vom Menschen vorangetriebene Entwicklung kommt der Zecke entgegen.
Wer auf den großen Wegen einer Grünanlage bleibt, braucht sich vor einem Zeckenbiss nicht zu sorgen. Dagegen ist der Toilettengang im Park oder Wald sehr riskant. Denn auf Zweigen und Ästen können Zecken lauern, die ihren künftigen Wirt an Geruch und Wärme orten und die in Bruchteilen von Sekunden übersetzen.
Zecken bewegen sich von unten nach oben. Wenn sie sich über die Kleidung vorarbeiten müssen, erhöht das die Chance, sie rechtzeitig zu entdecken. Geschlossene, helle Textilien werden daher empfohlen, mit langen Ärmeln sowie Hosenbeinen, die man in die Socken steckt. Nach einem Ausflug in die brandenburgische Wildbahn sollte man sich gründlich nach den Blutsaugern abzusuchen.
Die Stiftung Warentest hat im Frühjahr untersucht, wie gut Mücken- und Zeckensprays gegen die Parasiten wirken. Die zehn Produkte schnitten unterschiedlich gut ab. Allen gemeinsam ist, dass sie keinen hundertprozentigen Schutz liefern.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht inzwischen der Frage nach, wie sich Zecken verbreiten und ob sie möglicherweise Krankheiten verbreiten, die in hiesigen Regionen bisher nicht auftreten. Das RKI setzt dabei auf die Mithilfe der Bevölkerung in einem sogenannten Citizen-Science-Projekt. Es heißt Climatick – Tick ist das englische Wort für Zecke.
Berliner-zeitung